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einige andere klassische Dramen gehörten vorerst noch zu den Seltenheiten. Die zuletzt zusammen erwähnten drei goethe 'schen Stücke geben uns noch zu einigen Bemerkungen Anlaß. Der Dichter schrieb dieselben- wie die in dieser und einer etwas späteren Zeit entstandenen Unterhaltungen deutscher Ausgewan derter" unter den Eindrücken der beginnenden französischen Revolution, deren Bedeutung er im Anfang ebenso naiv unter­schätzte, wie er den gewaltigen Eruptionen des durch die Jahr­zehnte vorher in Wissenschaft und Kunst zum Ausdruck gelangten und auf das Volf übergegangenen Freiheitsdranges im Verlaufe dieser großen Staatsumwälzung mit Gleichgiltigkeit folgte. Es wäre sehr gefehlt, diese Theilnahmlosigkeit Goethe's an den großen Zeitereignissen aus seiner Stellung zum Herzog August, der auf Seite der Royalisten trat und mit andern, wie wir gleich sehen werden, dem König Ludwig XVI. zu Hülfe zog, zu erklären. Goethe war nicht der Mann, sich durch ein äußeres Abhängigkeits­verhältniß in seinen Meinungen beeinflussen oder an dem Aus­druck derselben behindern zu lassen, und er verwarf das Treiben und die politischen Pläne der königlichen Partei in gleicher Weise, wie die Aktionen und Tendenzen der Revolutionäre. Er hat der ersteren, der er die Worte:

,, Sage, thun wir nicht recht? Wir müssen den Böbel betrügen, Sieh nur, wie ungeschickt, sieh nur, wie wild er sich zeigt!" in den Mund legt, zugerufen:

,, Ungeschickt und wild sind alle rohen Betrüger;

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Seid nur redlich, und so führt ihr zur Menschlichkeit an!"- und zu Eckermann sagte er mit voller Deutlichkeit, eine große Revolution sei nie die Schuld des Volkes, sondern der Regierung". Allein in der Ueberzeugung, daß die Menschheit nur durch fort während wachsende innere Bildung jedes einzelnen zu dem er­wünschten Ziele, zu einem glücklichen Gedeihen des materiellen und geistigen Lebens gelangen könne, ließen ihn alle politischen Strebungen und Parteiungen deshalb gleichgültig, weil sie nach seiner Ansicht in ihren Folgen den ruhigen Kulturfortschritt der Menschheit hemmten, wie er denn von der großen Revolution und der deutschen Reformationsbewegung sagte: Franzthum drängt in diesen verworrenen Tagen, wie ehemals Lutherthum es gethan, ruhige Bildung zurück". Der Begriff der politischen Freiheit war ihm nicht völlig klar, oder er faßte ihn doch wenig stens in zu beschränktem Sinne auf, was allerdings darin seinen Grund haben mag, daß der geniale Mann, sich innerlich völlig

Konrad Deubler

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frei fühlend und auch in seinem äußeren Leben durch keine Fessel gedrückt, die ersten Bedingungen geistiger und materieller Freiheit allzu sehr unterschäßt und übersehen hat. Man mag mit Goethe ganz in der Meinung ,,, daß alles Heil nur aus innerer Bildung komme" übereinstimmen komme" übereinstimmen und jeder Einsichtige stimmt darin mit ihm überein; aber man darf sich doch der Erkenntniß nicht verschließen, daß zur allseitigen Vermittelung dieser inneren Bil­dung gewisse Voraussetzungen nöthig sind und daß eben dann, wenn man diese Voraussetzungen nicht antrifft, Strebungen an die Oberfläche treten müssen, die diese Voraussetzungen schaffen, die bestehenden Hindernisse wegräumen, je nach den Umständen auf friedlichem oder gewaltsamem Wege, und daß daher allgemein menschliche, künstlerische und wissenschaftliche Strebungen mit einer ganz bestimmten politischen Parteirichtung sich sehr wohl ver­tragen, ja, völlig und mit Recht in eine solche aufgehen können. Daß Goethe das nicht begriff, ist ein Beweis für seinen Mangel an geschichtlichem Sinn; er sah nur das Ereigniß nach seiner Schönheit und Unschönheit, nach seinem Werth oder Unwerth, wie es sich ihm in der Gegenwart darstellte, an, die großen Perspektiven, der weitsichtige, feine historische Blick, der in dem Kleinen das Große, in dem Vergangenen und Gegenwärtigen das Zukünftige erkennt, sind ihm verschlossen und fremd gewesen. Und in diesem Sinne kann allerdings den, dem dieser Blick fehlt, manches in der Gegenwart als Wahnsinn erscheinen, was sich nachher, oft schon in kurzer Zeit, als geschichtlich berechtigt er­weist. Wir wollen aber Goethe ob seines Mangels an geschicht­lichem Sinn in keiner Weise verdammen; hat doch gerade er für die Kulturentwicklung der Menschheit gearbeitet, ist er doch ein edler Vorkämpfer und starker Bahnbrecher des echten Fortschritts gewesen, wie selten einer!...

Im August und September von 1792 befand sich Goethe mit dem Herzog, der mit dem König von Preußen und dem Herzog von Braunschweig an der Spiße eines großen Heeres in Frank reich eingedrungen war, auf dem Feldzug in der Champagne und nahm im Sommer des folgenden Jahres an der Belagerung von Mainz Theil, von welcher er froh war, nach Hause zurüc zukehren. Die politische Stimmung aller Menschen" schrieb er an Jacobi- ,, treibt mich nach Hause, wo ich einen Kreis um mich ziehen kann, in welchem außer Liebe und Freundschaft, Kunst und Wissenschaft nichts herein kann." Er beschäftigte sich weiter mit wissenschaftlichen Untersuchungen und schrieb die Ueber­tragung des niederdeutschen Reineke Fuchs."( Fortsetzung folgt.)

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der Bauern- Philosoph.

Eine Stizze nach dem Leben, von Dr. A. P.-V. ( Fortsetzung.)

Nach dreizehnjährigem Wirken und Sparen auf der Hallstätter­Mühle verkaufte Deubler die letztere und erwarb sich mitten im Dorf Goisern ein großes Bauernhaus, aus dem er die von ge­lehrten Touristen vielbesuchte Wirthschaft und Bäckerei zur Wart­ burg " schuf. Bisher war keiner der Goiserer Wirthe ernstlich be­müht, für seine Gäste auch geistige Unterhaltung in Gestalt van Zeitungen, Unterhaltungsschriften und Büchern zu beschaffen. Deubler ergriff die Initiative und in kurzer Zeit fand der Gast zur ,, Wartburg ", auch wenn er als Tourist für lange Tage in dem stillen Bauerndorf eingeregnet blieb, der Lektüre genug. Ja, Deubler schaffte sogar in das obere Gesellschaftszimmer der Wartburg " ein Billard, gewiß das erste, welches seit dem Be­stand von Goisern in dem schlichten Bergdorf zu sehen war.

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Mittlerweile wuchs auch sein Bücherschatz heran und Hand in Hand damit auch die Geistesbildung des urwüchsigen Gebirgs­sohnes. Im dreiundzwanzigsten Jahre seines Lebens kamen ihm Bschokke's Stunden der Andacht" in die Hände, die ihn derart begeisterten, daß er im Jahre 1844 damals noch in Hallstatt wohnend eigenhändig an Zschokke zu schreiben unternahm, obschon er sich seiner mangelhaften und hiezu kaum zureichenden Schulbildung nur zu sehr bewußt war. Der Brief, den wir Der Brief, den wir hier im Wortlaut, und mit buchstäblicher Beibehaltung der ortho­graphischen Fehler mittheilen, bedarf keines Kommentars; er lautet: Edler Menschenfreund!

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Schüchtern, obgleich voll Vertrauen auf Ihre edle Denkungs­art, ergreiffe ich die Feder zu gegenwärtigen Schreiben.

Ich bin ein ehrlicher Bergmann, der seine freien Stunden immer einer guten Herz und Geist bildeten Lektüre gewidmet hat, und noch widmet. Liebe zu den Wissenschaften hate der Schöpfer in meine Seele gehaucht, aber meine Aeltern waren Arm, und ich muste froh sein, daß ich bei dem f. k. Salzberg­werke als Arbeiter aufgenommen wurde. Doch, die Vorsehung waltete über mich; gute Menschen gaben mir( freilich erst spät, in meinem dreiundzwanzigsten Jahr) die Stunden der Andacht zu lesen. Unser Pastor, ein Verehrer von Stillings Schriften, fahe gar nicht gerne, und warnte mich for diesen freigeisterischen Büchern( wie er es nannte) allein ich ließ mich nicht abreden. Später kaufte ich mir Ihre Ausgewählten Novellen und Dich­tungen, wo die Geschichte von Alamontade, einen Freund von mir die verlorene Ruhe und den Glauben an Gott wieder gab, den größten Segen aber brachte in meine Gegend, das Buch, die Brantweinpest! mehrere hundert Exemplar wurden gekauft. Meine Verehrung und meinen Dank Edler Menschenfreund! Ihr Streben die Menschheit, Glücklicher und Besser zu machen, war nicht erfolgloß geweffen. Meine Achtung gegen Sie, wurde bey der Durchlesung Ihrer Selbstschau immer mehr gesteigert, so das ich beschloß Ihnen meinen aufrichtigen Dank mit meinen schlechten Schreiben zu bezeugen, mit der Bitte, mir auf diesen Brief zu Antworten. Damit in Ihrem Brief ein Angedenken häte, ein Andenken von einen Manne den ich so sehr Achte und Liebe. Scheint Ihnen meine Bitte etwas auffalendzudring­lich? O, so Verzeihen Sie gütigst einem armen Bergmann