der Sie über alles Liebte, und Ihnen vielleicht noch jenseits des Grabes für Ihre Güte danken wird. Ja, Ehrwürdiger! um die Beruhigung so vieler tausend Menschen hochverdienter Mann! gewähren Sie mir gütigst meine Bitte, und seyen Sie versichert, daß Sie es keinem Unwürdigen thun.
,, Wer nicht fürchtet, nicht Hoft, nur der ist Glücklich" sagt Klopstock . Darum will auch ich ruhig Erwarten, was Sie gütigst beschliessen werden. Auf jeden Fall bin und bleibe ich mit ungeheuchelter Hochachtung nnd Dankbarkeit Ihr ergebenster
Den 27. July 1844.
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Konrad Deubler Bergmann in Oberöstreich Markt Hallstadt , nächst Ischl . Mit diesem Brief beginnt die in ihrer Art wohl einzige Korrespondenz, die ihre Fäden von der Hütte des robusten Berg sohnes ausstrahlend bis zu den einsamen Geisteswerkstätten der Gelehrten und Schriftsteller der letzten Jahrzehnte ausspannte. Bschoffe zögerte nicht, auf den naiven Brief in höchst menschen freundlicher Weise zu antworten. Wir entnehmen seiner Erwide rung folgende Schlußstelle: Aber, wahrlich wegen des Guten, welches ich Ihnen und Ihrem Freunde geleistet haben soll, verdiene ich keinen Dank. Mir gehört nur der gute Wille, Ihnen das gute Vollbringen, durch welches Sie das höchste Gut auf Erden, Seelenruhe, Gleichmuth im Wechsel der Zustände und Bewußtsein, nach Kräften nüßlich geworden zu sein für Freund und Feind, erringen werden. Mögen Sie dieses wahren Glückes lange und ununterbrochen genießen, denn es ist das einzige, welches wir mit vollem Recht unser selbsterworbenes, bleibendes Eigenthum nennen können. Leben Sie wohl und glauben Sie, daß ich Sie aus Ihrem Brief hochschätzen gelernt habe und recht aufrichtig bin
Ihr ergebener
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Heinrich Zschokfe."
Die vierziger Jahre brachten bekanntlich mancherlei geistige und politische Stürme. Deubler, der durch die Lektüre verschie denster Werke immer mehr und mehr zu den spezifisch- religiösen und philosophischen Hauptfragen hinübergedrängt wurde, hatte ein wachsames Auge auf all die Vorkommnisse, welche geeignet sein würden, auch ihm, dem unersättlich Forschenden auf diese und jene der letzten großen Fragen Antwort zu geben. So vernahm er denn auch Mitte der vierziger Jahre von dem heftigen Kampf, der draußen im protestantischen Deutschland zwischen einem David Friedr. Strauß und seinen Gegnern immer noch fortwüthete.. Deubler hörte davon, daß der Tübinger Repetent schon im Jahre 1835 ein ,, Leben Jesu" geschrieben habe, das dem Verfasser den Verlust der Repetentenstelle eintrug, aber auch Anlaß geworden, daß David Strauß 1839 von der Züricher Regierung zum Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte an der dortigen Universität ernannt wurde. Deubler hörte des ferneren, daß Strauß wegen seines Leben Jesu" niemals den Lehrstuhl an der Hochschule Zürich betreten konnte, daß die schwarze Reaktion unter der Anführung einiger orthodoxen Pfaffen und Mucker nicht nur die Pensionirung des eben ernannten neuen Theologie- Professors, sondern auch über der Blutlache geüber der Blutlache geflossenen Bürgerblutes hinweg die freisinnige Regierung von Zürich , diese Verehrerin des ,, kezerischen" Strauß, zur Abdan fung nöthigte. Das Buch von Strauß erschien nichts destoweniger im Jahre 1840 in vierter Auflage, und immer weiter hinaus fräuselten die Wellen des angefachten Geisteskampfes, so zwar, daß Deubler sich nicht mehr zu halten vermochte, sondern selbst in die Geheimnisse eindringen wollte, die die geistlichen Herren so gerne hinter den Kulissen, abseits vom Blicke des gemeinen Voltes, geordnet haben würden. Deubler wollte die gelehrte Kritik der historischen Grundlagen des Evangeliums selber kennen lernen. Das Straußsche Buch, das ja vom Verfasser nur für gelehrte Theologen geschrieben wurde, wurde vom Bauer gekauft und in das einsame Bergthal des Salzkammergutes getragen. ,, Unverdrossen und gewohnt, vor keiner Arbeit zurückzuschrecken, hatte er sich in den späten Abendstunden nach schwerer Tages arbeit daran gemacht, in das„ Leben Jesu" in seiner ersten Gestalt einzudringen. Bald aber war er inne geworden, daß der Zu gang zum Verständniß hier für ihn durch Felsstücke verrammelt war, die auch das redlichste Bemühen nicht zu beseitigen ver mochte, und dieser Umstand wurde die Veranlassung eines brieflichen, an den Verfasser des Lebens Jesu" gerichteten Anfrage, warum er denn bei seiner Arbeit so wenig das Volk berücksich tigt habe."
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Es ist bekannt, daß David Strauß alles andere eher, als eine demokratische Ader in sich verspürte. Freilich waren auch seine Lebensschicksale derart, daß ein Groll gegenüber dem ihm so übel mitspielenden Volk bei ihm sich dauernd niederlassen mußte. Strauß war von Natur aus aristokratischer Gesinnung und er blieb es bis an sein Ende, wie ja die ,, Politik" im alten und neuen Glauben" es mehr als genügend zeigt. Wie kam es nun aber, troß dieser wenig volksfreundiichen Gesinnung, daß David Strauß sich herbeiließ, ein Leben Jesu für das deutsche Volk" zu bearbeiten und schießlich am Ende seiner schriftstellerischen Laufbahn, die Quintessenz seines geistigen Schaffens, das Werk vom alten und neuen Glauben", auch wieder dem ganzen Volk vor die Füße zu legen? Die Erklärung dieses scheinbaren Widerspruches zwischen Gesinnung und Handlung liegt sehr nahe. Strauß hatte durch sein Leben Jesu" erster Ausgabe, das ja nur für Theologen bestimmt war ,,, den Kanzeln gepredigt und sie leer gefunden; seine Rede und Beweisführung, die die Fachgenossen überzeugen und auf andere Wege leiten sollten, hatte er in den allermeisten Fällen an taube Ohren und widerwillige Herzen verschwendet! Das empfand er bitter; während ihn seine Freunde, denen er das Herzblut seiner Gedanken darbrachte, verließen und schnöde verstießen, nahm ihn den Verstoßenen und Einsamen das Volk mit offenen Armen auf. Deublers Brief an Strauß war die Stimme aus Volksmunde und Strauß hat diese Stimme verstanden und ist ihr gefolgt. Wir geben seine Antwort auf Deublers Brief: Werther Herr!
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Da ich diesen Sommer längere Zeit auf Reisen war, so kam mir Ihr freundliches Schreiben erst jetzt zu, und ich beantworte es um so schneller, je mehr mir daran liegt, Sie nicht länger in dem Glauben zu lassen, als fehlte es mir am guten Willen, eine so wohlgemeinte Zuschrift, wie die Ihrige, zu beantworten. Eine befreundete Stimme aus ihren Bergen zu vernehmen, hat mir große Freude gemacht; Ihr Stand und Ihr Bildungsgang, die Mühe, die es Sie gekostet haben muß, sich soweit durchzuar beiten, gibt Ihren errungenen Ueberzeugungen doppelten Werth und Ihr Brief ist mir ein erfreulicheres Zeichen der Zeit und der Früchte meines Wirkens, als es die zustim mende Aeußerung eines Theologen sein könnte. Freilich, gerade eine solche Aeußerung, wie die Ihrige, zu verdienen, muß ich mir gestehen, sehr wenig gethan zu haben, und Ihr Vorwurf, daß wir Männer des Fortschritts unter den Gelehrten das Volk zu wenig berücksichtigen, ist wenigstens gegen mich ganz gerecht. Nur müssen wir bedenken, daß es damals, als ich mein Leben Jesu schrieb, noch ganz anders bei uns aussah. Hätte ich es populär geschrieben, so wäre es gewiß verboten worden, nur unter dem Schuße seiner gelehrten Form konnte es sich ungestört verbreiten. Und auch ich selbst hätte mir damals ein Gewissen daraus gemacht, ein solches Buch unter das Volk zu werfen; unter dem Volfe waren damals noch keine Zeichen eines Bedürfnisses nach solcher Aufklärung zu bemerken, am wenigsten bei uns in Württemberg , wo freilich noch jetzt jenes Bedürfniß nicht erwacht ist; ich, als Theologe, hatte es empfunden und befriedigt; meine theologischen Freunde, das wußte ich, empfanden es auch, so war mein Plan, durch Aufklärung der Theologen allmälich auch das Volk zu reineren Religionsbegriffen zu führen. Allein ich hatte falsch ge= rechnet, und es sollte gerade umgekehrt gehen. Die Theolo= gen in Masse verschmähten, was ich und andere Gleichgesinnte ihnen boten, weil sie für die Existenz als Geistliche fürchteten, dagegen wandte sich das Volk im Deutschkatholizismus , in den Vereinen der protestantischen Lichtfreunde 2c. der neuen Richtung zu, und wenn ja das Unternehmen einer kichenreinigung in Deutschland gelingen wird, so wird dies nur trotz der, nicht durch die Theologen geschehen. Diese stehen jetzt zu dem, was uns geistig noth thut, gerade so wie die Juden zur Zeit des Apostels Paulus: ihnen bot er das neue Heil zuerst, aber weil sie es verschmähten, wendete er sich zu den Heiden: so muß, wer jetzt Licht bringen will, die Theologen stehen lassen, und sich an das Volk wenden, das ebenso empfänglich ist, wie jene verstockt sind. So würde auch ich es halten, wenn ich heute zu schreiben hätte; allein ich hatte es vor zehn und sechs Jahren zu schreiben, und jetzt sind andere da, die fürs Volk besser zu schreiben wissen, als ich, und so kann ichs denen überlassen.
Sie wünschen fernere Schriften von mir kennen zu lernen,