die einzige, die es vielleicht der Mühe werth ist, noch zu lesen, ist ein kleines Heft, betitelt: Friedliche Blätter, das ich Ihnen beilegen will, wenn wonach ich mich erst erkundigen muß dergleichen per Post dort passiren fann.

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Mit dem herzlichsten Wunsch, daß diese Zeilen Sie wohl und gesund antreffen mögen, bin ich

Ihr ergebenster

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Ludwigsburg  , 8. Septbr. 1846. D. F. Strauß. Auch dieser Brief bedarf keines weitläufigen Kommentars. Strauß selbst gestand zu, daß er sich in jenen verrechnet hatte, an die seine erste Bearbeitung des Leben Jesu" adressirt war; er gestand, daß er erst in zweiter Linie an das Volk dachte. Und dennoch hatte ihn dieses Volk eher gefunden, als er es suchte. Auch hier fiel das geistige Erbtheil nicht denen zu, die dem Erblasser am nächsten standen, sondern den ferneren und diese fernerstehenden das Volk, in dessen Namen Deubler, der schlichte Bauer, zum gelehrten Theologen sprach das Volk hat, wie Duboc ganz richtig bemerkt, die Eroberung eben dieses Theologen gemacht. Allerdings ist David Strauß   erst meh­rere Jahre nachher zur Ausführung des Deublerschen Gedankens geschritten; erst als Renan's seichtere Arbeit über das gleiche Thema die Gemüther zu erregen begann, erst dann ließ Strauß sein ,, Leben Jesu, für das deutsche Volk bearbeitet" erscheinen. Mittlerweile brachen über Deubler die härtesten Prüfungen herein.

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der Nachbarschaft Deublers sich stets nach dem geistigen Be­finden der katholischen   Bewohner des Salzkammergutes erkundigte. Die Berichte der katholischen Geistlichkeit müssen mehr und mehr ungünstig gelautet haben; ja es sprechen mancherlei Indicien dafür, daß die fromme Frau sogar von protestantischer Seite sich gewisse Aufschlüsse erbat, um über den gefährlichen Bürger und Gottesleugner zur Wartburg  " in Goisern   ins reine zu kommen.

Der gute Deubler ahnte nicht, daß sich über seinem Haupte ein Ungewitter zusammenzog, als er an einem schönen Frühlings­tag des Jahres 1853 von Hause fortging, während kurz hernach die greise Erzherzogin Sophie   selbst mit einem Kriminalbeamten zur ,, Wartburg  " in Goisern   einkehrte. zur ,, Wartburg  " in Goisern   einkehrte. Der Herr des Hauses war abwesend, man erkundigte sich bei Frau Deubler   nach den Büchern, die ihr Ehegemahl besigen solle; man wünschte diese Bücher zu sehen und fand sie in einem geschlossenen Glasschranke, so zwar, daß bei manchen der Rückentitel von außen nicht zu sehen war, weil der Inhaber der Bibliothek allzu indiskreten Blicken einen Riegel vorgeschoben hatte, indem er die Bücher mit der Rückenseite gegen die Wand stellte. Das war nun allerdings für die erlauchte Besucherin und den Herrn Untersuchungsbeamten zu sehr herausfordernd. Frau Deubler mußte den Bücherkasten öffnen; man durchstöberte den Inhalt der ziemlich profanen Bibliothek und notirte die ,, gefährlichsten" Sachen; denn es fanden sich etliche, die weit herum in österreichischen Landen zu lesen verboten waren.

Kurz nach dem Abschied der hohen Dame ward der zurück­gekehrte Deubler verhaftet, für einige Tage in's Bezirksgefängniß nach Ischl   gebracht und später nach Graz in Untersuchungshaft abgeführt, wo er mit elf andern ,, politischen Verbrechern"( darunter eine Frau Steinbrecher, Mutter des nachmaligen Bürgermeisters von Goisern  ) den Prozeß erwartete. Deublers Bibliothek wurde konfiszirt und am 6. Juni 1854, also nach 14% monatlicher Unter­suchungshaft, vernahm Deubler vor dem Landesgericht in Graz die gegen ihn gerichtete Anklage. Den betreffenden Gerichtsakten entnehmen wir manches Interessante über die angeklagte Per­sönlichkeit und jene, die als Zeugen angerufen und gegen Deubler vernommen wurden. Die lehrreichsten diesbezüglichen Stellen der Anklageschrift lauten wörtlich:

,, Ad Konrad Deubler  , aus Goisern   im Bezirk Hallstadt   ge­bürtig, 39 Jahre alt, evangelischer Konfession, verheirathet, jeit 1849 Wirth in Goisern  , früher Müller in Hallstadt  . Ungeachtet fl. 2000 schuldet, so machte er doch einen bedeutenden Aufwand; er für die in Goisern   um 3000 Gulden erkaufte Realität noch er reisete im Jahr 1839 nach Triest   und Verona   und über Salz­ burg   zurück; im Jahre 1842 nach Dresden  , um angeblich den im Jahr 1852 hatte er vor, nach Dresden   und Hamburg   zu Maler Kummer zu besuchen, im Monat Oftober 1848 nach Wien  ; reisen. Er behauptet, zuhause sparsam gelebt und die Reisekosten als Führer der das Salzkammergut besuchenden Fremden und durch den Verkauf von Herbarien und Steinsammlungen an die selben verdient zu haben. Da er von dem Professor Simoni in der Botanik den Unterricht erhalten hatte, und da er als Fremden­

Er hatte sich im Dorf Goisern   durch seine rationelle Dekono­mie als Wirth zur Wartburg  ", durch seine biedere Gradheit und sein aufrichtiges Handeln nicht allein zum angesehenen Manne, sondern auch zum hablichen Bürger emporgearbeitet. Eigene Kinder waren ihm nicht beschieden, was erworben wurde, das war somit die Frucht seiner Arbeit und das Produkt des Sparfleißes seiner treuen und klugen Lebensgefährtin. Deubler vergaß nie an seinem geistigen Fortschritt zu arbeiten. Auf seinen kleineren und größeren Wanderungen, die ihn bald über die Berge der Steyermark nach Triest  , an die blaue Adria und nach der Dogen- Stadt der venetianischen Lagunen, bald hinaus in deutsche und deutschösterreichische Städte und Länder führten, stöberte er zuweilen in den antiquarischen Buchhandlungen nach diesem und jenem Kleinod, das er sich früher als, wünschens­werth" notirt hatte und doch aus nächster Nähe sich nicht zu faufen getraute. Man erinnere sich nur daran, daß zu Ende der vierziger und noch in den fünfziger Jahren keineswegs jenes Maß von Glaubens, Gewissens- und Breßfreiheit in Desterreich zu Hause war, wie dies heutzutage der Fall ist. Damals gab Damals gab es im deutschen Buchhandel zahlreiche ,, Novitäten", die kurz nach ihrem Erscheinen in österreichischen Landen sofort verboten wurden und gar manches, was nicht verboten ward, brachte den Besizer gelegentlich in den Verdacht der Keßerei, oder in den Geruch der Vaterlandslosigkeit. Wer jedoch Deubler persönlich kannte oder kennt, der fand in ihm jederzeit einen treuen Sohn seiner ber gigen Heimath, der sein Vaterland über alles liebt, nicht minder aber eine unbegrenzte Liebe zur Wissenschaft und Wahrheit in sich trägt. Darum kam er bei dem Geistlichen seines Heimathsführer beliebt war, so sei er dadurch mit David Strauß  , dem dorfes alsbald in den Geruch eines gefährlichen Freidenkers; denn sie wußten, daß er jeder Pfafferei als abgesagter Feind gegenüberstand; sie wußten, daß der schlichte Bauer in seinem unersättlichem Wissensdrang nach und nach zu größerem und werthvollerem Wissen und Erkennen gelangt war, als solches ihnen, den geistlichen Herren" selbst, zur Verfügung stand. Auch mochten sie gelegentlich wahrnehmen, daß mancher Berg mann und Bauer, der mit dem klugen Wirth zur Wartburg  " in Fühlung stand, allmälich seltener in der Kirche zu sehen war, und wie sollte man ein braver Mann sein können, wenn man die Predigt schwänzt und die Meß, nichts thut, als in den Wein­häusern liegen?" Es sei hier bemerkt, daß Goisern allerdings zum größten Theil von Protestanten bewohnt ist, daß aber trotz­dem auch eine katholische Kirchgemeinde dortselbst ihre Kirche und ihren Pfarrer unterhält. Die Katholiken jener Gegend beziehung wohnen hauptsächlich die Schattenseite des Traunthales, während die Protestanten an den sonnigen Abhängen auf dem rechten Traunufer angesiedelt sind und dort besser gedeihen, als jene ersteren. Deubler als Protestant- war daher nicht blos der katholischen   Pfarrgeistlichkeit, sondern weil Freidenker­auch dem protestantischen Seelsoger ein Dorn im Auge. Dazu

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tam noch, daß anfangs der fünfziger Jahre die sehr fromme und gottesfürchtige Erzherzogin Sophie, die Mutter des jezigen Kaisers von Oesterreich  , häufig nach Ischl   kam und dort

in

Dichter Leopold Schäffer, dem preußischen Justizrath Benwih, Bichokke, Heine, Saphir  , Palaczky, Prediger Steinacker bekannt geworden und in Korrespondenz gewesen. Er habe von den ge­nannten Reisenden manche Bücher, viele Zeitschriften, Plakate und Porträts zum Geschenk erhalten, viele Bücher aber auch selbst aus Gmunden  , Linz   und Krems   bezogen; mit Pastor Sattler, Sattinger, Jakob Walkner und dem Auswanderer Kain Bücher vertauscht und einen Theil der Bücher vom Vater geerbt. Die Bücher religiösen und politischen Inhalts habe er theils aus Neugierde gekauft, theils von den Fremden und Auswanderern zum Geschenk erhalten, und sie auch an andere zum Lesen gegeben. Sattler, Hinterer, Sattinger und Simoni( Prof. in Wien  ) habe Nach den Aussagen des Buchberger, Wallmann, Forstl, Löcker, Konrad Deubler   schon vor dem Jahr 1848 in religiöser Be ziehung als Naturalist und in politischer Beziehung als Re­publikaner sich geäußert, und sein Tagebuch ist ein getreuer Spiegel Verkehr mit Gleichgesinnten. Nach dem Leumundszeugnisse des seiner atheistischen und revolutionären Gesinnungen, sowie ſein Pfarramtes und Postamtes von Goisern   ist Konrad Deubler  frivol und ultraradikal gesinnt und sein Haus der Versammlungs

ort von Unzufriedenen."

Unter den erschwerenden Indizien aus dem Zeugenverhör gegen Deubler werden namentlich folgende Punkte stark betont: