erscheinen zu lassen, findet sich immer. Weigert er sich, so halte ich ihm vor, daß es freundschaftliche Rücksichten waren, welche uns bewogen haben, mit ihm einen Kontrakt zu schließen, der zu seiner Vorausseßung das vollste gegenseitige Vertrauen hatte daß er also einen Vertrauensbruch begeht, wenn er die Aus­führung unseres Planes in dem ihm im vorhinein zu Grunde gelegten Sinne verhindert. Ich erkläre ihm, daß eine Bewerbung um Senkbeils Bundesgenossenschaft in der Geschäftswelt sofort den Zweifel an unsrer Fähigkeit, die Sache allein zu machen, er­regen, und uns vor der Welt und vor Senkbeil kompromittiren und für den wahrscheinlichen Fall, daß Senkbeil ablehnt, unsern Kredit, unser Prestige gewissermaßen, empfindlich erschüttern müßte. Wir würden so leid es uns thäte- falls er bei seiner Weigerung beharrt, gezwungen sein, vor der Deffentlichkeit die Schuld an dem Nichtzustandekommen der mit solcher Erfolgsicherheit an­gekündigten Gründung auf diejenigen Schultern legen zu müssen, auf die sie gehört. Wie er und sein so wohlverdientes öffent liches Ansehen dabei wegkommen könnten, wenn er die Sache gewaltsam in den Eclat hineintriebe, das sei dann seine Sache und fiele nicht mehr in den Bereich unserer Verantwortung; und so weiter. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich der Schwäger schließlich, sobald er merkt, daß der Spaß definitiv zu Ende ist, nicht um den Finger wickeln ließe. Und dann noch eins, mein Lieber," wandte sich der Justizrath, der schon den Schlafrock abgeworfen und eben den Finger an den Knopf einer Tafelglocke gelegt hatte, um den Diener herbeizurufen, von neuem zu seinem Sohne; wir müssen unverweilt wieder nach mehr als einer Richtung hin finanzielle Fortschritte machen. Das Pro­jekt der Zweigbahn nach Bergstadt ist ganz eingeschlummert es muß schleunigst wieder zum Leben gebracht, es muß nicht minder schleunig realisirt werden. Die verdammten Rittergüter, an denen wir heute in Wahrheit schon zu armen Rittern ge worden, muß uns die Eisenbahn endlich abnehmen. Damit werden wir dann auch deinen guten Freund Waldstein los, der uns wie ein Blutegel im Nacken sitt."

Der Sohn zuckte die Achseln und wollte antworten. Der Vater hatte aber bereits auf den Schellenknopf gedrückt und be­merkt, daß er die Glocke, an deren Mechanismus irgendetwas in Unordnung gerathen war, zu keinen andern als äußerst gedämpften Tönen zu bewegen vermochte. Er war daher dem Triebe, ent schlossen und rasch zu handeln, nachgebend, ungewöhnlich schnell auf die Thür zugeschritten, um nach dem Diener zu rufen, als ihm von außen jemand zuvorkam und der Diener selbst auf der Schwelle erschien.

" Herr Justizrath befehlen?" fragte derselbe, ein langer, hagerer Mensch von einigen vierzig Jahren mit glattrasirtem, unangenehmen Schleichergesicht.

Die Wichtel warfen gleichzeitig einen raschen Blick auf den Diener und schauten dann einer dem andern bedeutungsvoll ins Auge.

" Man ist ja ungewöhnlich geschwind heute, Friedrich," sagte der alte Herr. Man kommt sogar, ehe man gerufen ist."

" Verzeihen Herr Justizrath," erwiderte Friedrich mit einem Gesichtsausdruck, als könnte er nicht bis drei zählen; ich ging grade vorüber nach dem Schlafzimmer des Herrn Doktor, um die Fenster zu schließen, weil der Wind zu arg geworden ist; und da hörte ich, wie der Herr Justizrath klingelten zwar nur leise, aber wenn man nicht weit von der Thür ist, hört man's doch, und da ich wußte, daß die Klingel heute ausgehakt ist, als die Luise sie beim Aufräumen' runter geworfen, da hab' ich

-

sofort

Dem Justizrath schien eine weitere Auseinandersetzung über flüssig. " Schon gut," sagte er. Ich fahre heut noch aus, sofort anspannen und meine Röcke." Friedrich machte eine höchst eckige und steife Verbeugung und ging eiligst von dannen.

Hältst du für möglich, daß der Kerl gehorcht und daß er gehört hat, was wir sprachen?" fragte der Justizrath, als sich die Thür hinter Friedrich geschlossen hatte.

" Daß er gehorcht hat gewiß. Daß er gehört und ver standen hat, was wir sprachen, bezweifle ich dagegen sehr, die Portièren und das starke Eichenholz der Thüren lassen nicht viel von den Tönen passiren."

" Man horcht aber nicht, um nicht mehr als unartikulirte Laute zu hören. Wir müssen uns überzeugen. Es wäre vertrackt, wenn der alte Spizbube auch nur zwei Säße verstanden hätte...."

13

,, Ueberzeugen wir uns," sagte der Referendar, indem er das Zimmer verließ. Der Justizrath sprach ein paar Worte in ge­wöhnlichem Gesprächstone, dann wiederholte er sie dreimal, jedes­mal lauter als zuvor. Wichtel junior hatte mir das leztemal verstanden, was sein Vater gesagt. Beide fühlten sich beruhigt; so laut war die Unterhaltung, selbst in den Momenten der Er regung, nicht geführt worden. Zudem war der Friedrich nach seiner eigenen Behauptung schon seit Jahren schwerhörig; er mochte also doch wohl beim Vorbeigehen an der Thür, aus jener allgemein verbreiteten Dieneruntugend der Neugier, nur den erfolg losen Versuch zu horchen gemacht haben. Im übrigen würde ja einer Bedientenklatscherei nicht allzuschwer die gefährliche Spitze abzubrechen sein, meinte der Referendar.

Friedrich benahm sich auch ganz unverfänglich, als er wieder­fam. Sein Gesicht war genau so nichtssagend, seine Stimme so frächzend, seine Bewegungen so täppisch, wie gewöhnlich.

Ehe der Justizrath ging, hatte er noch etwas zu fragen. Er hatte gehört, daß der elegante Bärenhäuter Schweder, wie er ihn zu nennen pflegte, in neuester Zeit im alster 'schen Hause verkehre. Und Schweder sei wohl so etwas wie der Hausfreund der schönen Frau Senkbeil auf Bemühungen des Schweder sei also viel leicht die alster'sche Neigung zu einer Assoziation mit Senkbeil zurückzuführen.

Wichtel junior bezweifelte das. Schweder sei ein sehr ge­scheiter, aber allen Geschäftsangelegenheiten, wie überhaupt allen ernſteren Dingen gegenüber unglaublich indifferenter Mensch. Das sei der Epikuräer comme il faut oder, in der That, der Bärenhäuter in Glacés . Selbst zum Schachspiel sei er selten mehr als einmal in der Woche zu bringen. Dagegen könne er stundenlang, eine seiner unübertrefflichen Havannahs nach der andern schmauchend, im Café oder sonstwo dem Dolce far niente*) fröhnen und dabei über alles und alle in der Welt seine spötti­schen, meist fabelhaft malitiösen Glossen machen. Sentbeil komme, wenn gelegentlich von ihm die Rede sei, fast am schlechtesten weger sei ein nichtsnußiger Knauser, ein gänzlich versimpelter Filz, behaupte Schweder, der sich den Champagner abgewöhnt habe, damit seine ungezogenen Rangen dereinst drin baden könnten. Mit Sentbeils Frau stehe Schweder aber allerdings in intimem Verhältnisse, obgleich er, oder vielmehr grade weil er, selbst in übermüthigster Weinlaune, dies hartnäckig und sehr entschieden ableugne. Bei Alster habe er sich bestimmt auch nur eingeführt, um sich entweder über den emporgekommenen Krämer weidlich lustig zu machen oder, was allerdings noch mehr Wahrscheinlich­keit für sich habe, um Wanda in die Neße eines unsoliden Liebes­verhältnisses zu verstricken. Daß ihm leßteres nicht gelinge, dafür habe er, Wichtel junior, indessen sofort gesorgt. Er habe Alster über den Roué Schweder reinen Wein eingeschenkt und auch Wanda Andeutungen bezüglich der Dußende von Liebesverhält­nissen gemacht, derentwegen Schweder stadtberüchtigt sei. Die sittliche Entrüstung, welche er selbst dabei weniger gezeigt als verrathen habe, müsse auf das beinahe noch tindische Gemüth seiner Zukünftigen zweifellos einen höchst günstigen Eindruck gemacht haben.

Der Justizrath schien inzwischen wieder zu gutem Humor ge kommen zu sein. Er klopfte dem Sohne zum Abschied gemüthlich auf die Achsel und sprach die Hoffnung aus, daß die sittliche Entrüstung, die zu verrathen" seinem liebenswürdigen Sprößling sicherlich nicht schwer gefallen sei, der wahren ehemännlichen Tugendhaftigkeit den Weg in das Herz desselben bereiten werde. Nachdem Wichtel junior lachend betheuert, daß diese Hoffnung um so leichter erfüllt werden möchte, als ihm allezeit das gute Beispiel seines Erzeugers auf dem Pfade der Tugend voran­leuchte, ging der Justizrath, vergnüglich schmunzelnd und seinem Sohne ,, viel Vergnügen" wünschend, von dannen.

*

Eine Viertelstunde später hielt sein Wagen vor der Villa Alster . August hatte im Gespräch mit einem Manne, in dem wir den Cigarrenreisenden Schneider wiedererkennen, vor der Thür gestanden. Die beiden waren intime Freunde geworden. Schneider hatte sogar in einer den biederen August bis zu völliger Gewißheit überzeugenden Weise nachzuweisen vermocht, daß August sein Cousin, wenn auch ungefähr im zehnten oder zwölften Gliede sei. Augusts Großtante, die rechte Cousine seiner Stiefgroßmutter, war nämlich auch eine geborne Schneider gewesen und hatte einen

*) Süßem Nichtsthun.