Bruder gehabt, der sein Heil in Amerika   gesucht und dabei heil­los heruntergekommen und schließlich verschollen war. Diesen würdigen Stiefgroßonkel hatte der immerdar findige Cigarren reisende in seiner eigenen Verwandtschaft wiederentdeckt er war auch sein Großonkel oder so etwas Aehnliches gewesen, folglich war August sein Cousin.

Als der Wagen des Justizraths vorgefahren war, hatte August seinen neuen Cousin stehen lassen und dienstfertig den Wagen schlag aufgerissen. Zu seinem tiefgefühlten Bedauern hatte er zu melden, daß sich der gnädige Herr Justizrath den Weg umsonst gemacht hätten, weil der gnädige Herr Alster nicht zuhause sei.

Der Justizrath erklärte, er müsse Herrn Alster aber unter allen Umständen, so rasch als nur möglich, sprechen. Wo er auch sei, werde er ihm daher nachfahren oder, wenn es nicht anders ginge, auch nachreisen. August machte auch diesmal das bekannte Bedientenmanöver, indem er durch verlegenthuendes und dumm­schlaues Mienenspiel zu verstehen gab, daß er zwar wisse, wohin oder mit wem sein Herr ausgegangen sei, aber sich nicht recht getraue, es zu sagen. Der Justizrath kannte so gut wie Schweder den Schlüssel, der den Mund eines derartigen getreuen Knechtes jederzeit öffnet, und er wandte ihn, wenn auch lange nicht so frei gebig als der jüngere Lebemann, unverzüglich an.

August gestand nun, daß sein Herr nach dem Restaurant Weinhold gefahren sei, wo in einer geschlossenen Gesellschaft eine Feier was für eine, wisse er nicht abgehalten würde.

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Der Justizrath rief seinem Kutscher zu: zu Weinhold rasch!" und zog den Wagenschlag dem guten August so dicht vor der Nase wieder zu, daß er selbigen stattlichen Körpertheil bei nahe zwischen der Thür und ihrem Rahmen eingequetscht hätte. August, der höchlichst erschrocken zurückgesprungen war, ver­gewisserte sich, daß das unerseßliche Organ noch unbeschädigt in seinem Gesicht size und trat entrüstet grunzend zu seinem Cousin Schneider.

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, Dieser alte Kerl," räsonnirte er, hält unsereins auch nicht für einen Menschen, wie er einer ist. Nicht'en Pfifferling hätt er darnach gefragt, wenn er mir den Schädel mit seiner Wagen­thür blutig geschlagen hätte. Und Trinkgelder geben diese Wich­tels nie mehr, als allerhöchstens' en halben Thaler. Der junge ist übrigens noch schäbiger als der alte. S'ist en Skandal. Na bei Gelegenheit bind' ich dem alten Geizkragen einen Bären auf, der sich gewaschen hat."

Cousin Schneider bestärkte den Entrüsteten in seiner löblichen Absicht und hörte sehr aufmerksam auf alles, was sein Freund und Better über die Familie Wichtel räsonnirend zum Besten gab. Der hält's womöglich für eine Ehre, die er dir anthut, wenn er dir die Nase blutig schlägt. Die Sorte kenn' ich, August, ver­laß dich darauf. Dein Herr ist übrigens auch nicht viel besser. Die Cigarren, die ich ihm neulich zur Probe habe bringen müssen, sind ihm noch zu theuer für euch. Für meine Dienerschaft höchstens kann ich Cigarren brauchen; ich selbst beziehe meinen Bedarf ohne Zwischenhändler, sagte er. Also jedenfalls eine Weinachtsfreude für dich und den Kutscher. Na, ich gratulire im voraus.

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nämlich, die ich ihm gebracht hatte, kosteten 10 Thlr. im tausendt Die wären viel zu leicht für euch, sagte er, und viel zu schlech. meinte er. Nun soll ich ihm welche für 8 Thaler bringen; das sind natürlich die reinen Stinkadores für' ne gebildete Nase, wie du sie hast, August, geradezu zum Davonlaufen."

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Da ist meine einzige Rettung," meinte August pfiffig wie immer, ich verkaufe die ganze Bescheerung meinem verehrten Kollegen, dem Rhinozeros von Kutscher. Der Kerl raucht den ganzen geschlagenen Tag den fürchterlichsten Kneller, daß die Pferde im Stalle den Husten kriegen. Wenn ich dann sage, die Cigarren wären mir zu stark und ich wollte sie ihm auf Ab­schlagszahlungen von wöchentlich zehn Groschen verkaufen, so fällt er unter allen Umständen darauf rein."

,, Recht so," lachte der Cousin. Aber sag' mal, August, was mochte denn der Justizrath so eilig mit deinem Herrn zu thun haben? Die kommen doch alle Tage zusammen. Wahrscheinlich sucht der gestrenge Herr blos irgend jemanden, der mit ihm den Abend verkneipt."

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August schüttelte den Kopf. Wichtig mag die Geschichte schon sein, und zusammenkommen thun die auch nicht alle Tage. Der Justizrath ist ja in der letzten Zeit wieder immerfort auf Reisen gewesen. Sein Friedrich sagte mir' mal ganz im Vertrauen, der Alte führe bis nach Italien  , oder gar bis nach Monakien oder wie das heißt, um dort riesig zu spielen, du weißt-- so Meine deine' oder, Lustige Sieben oder so was wird's wohl sein. Nun wird er wahrscheinlich erst heute oder gestern zurück­gekommen sein, und gestern ist auch der Doktor Juri hier ge­wesen und hat' nen furchtbaren Spektakel mit meinem Alten gehabt; der ist hernach roth gewesen, wie ein Kapaun, und der andre war auch fürchterlich erhitzt, und beinahe sah's aus, als ob sie sich gründlich verfeindet hätten mit einander. Da wird der alte Wichtel wahrscheinlich wieder Frieden stiften wollen, denn unser Fräulein und ihre Goldfüchse lassen die beiden nicht aus dem Garn, weißt du, wenn sie auch noch so dick thun mit ihrem Gelde- der Friedrich meint ohnehin, bei seiner Herrschaft steckte lange nicht soviel dahinter, als sie immer thun, und der Friedrich ist lange nicht so dumm, als er aussieht."

Dem Cigarrenreisenden Schneider schienen diese Mittheilungen, so wichtig August auch dabei that, doch nachgrade langweilig geworden zu sein. Er erwiderte mit äußerst gleichgiltiger Miene: " Ja, ja, es ist nicht alles Gold, was glänzt;" und fügte, nach­dem er sich eine frische Cigarre angezündet hatte, hinzu: Die vornehmen Leute können sich halt furchtbar verstellen; man weiß nie, wie man eigentlich mit so einem dran ist." Darauf sah er nach der Uhr:" Donnerwetter, ist das schon spät! Na, gute Nacht, August; morgen oder übermorgen trinken wir wieder ein Glas Grog zusammen." Dann ging er ziemlich raschen Schrittes von dannen.

August schien sich einigermaßen über das plößliche Von­dannengehen seines Cousins zu wundern. Er ging mißvergnügt in das Haus. ( Fortsetzung folgt.)

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Konrad Deubler  

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der Bauern- Philosoph.

Eine Skizze nach dem Leben, von Dr. A. P.-. ( Schluß.)

Es war am Samstag Abend, 2. August 1879, als ich von München   kommend die Route Salzburg Wien bei Att­ nang   verließ und bei einer Temperatur von 33 Grad Celsius zwei Stunden lang auf jenen Zug wartete, der mich auf der Kronprinz- Rudolf- Bahn von Attnang   aus am Traunsee   vorbei, durch schl nach der Station Goisern bringen sollte. Ich hatte an jenem Tage den Kulminationspunkt der Sommerhize reichlich verspürt, draußen auf dem Flachland lag eine lähmende Schwüle und erst als wir an dem malerischen Traunsee   vorbeifuhren und die Sonne hinter die uns nahe gerückten Berge trat, konnte man wieder aufathmen. Am ganzen Himmel keine Wolke, auf keinem der prächtigen Berge des Salzkammergutes die geringste Spur von Nebel die Nacht brach herein und eben stieg der Mond am östlichen zackigen Horizonte empor, als der Ruf: Goisern" meine Tagesteiden zum Abschluß brachte. Wenige Augenblicke hernach begrüßte mich der Philosoph vom Primesberg in jener

herzlichen Weise, die sich nicht in Worten zeichnen läßt. Mein Gepäck ging in die Hände seiner barfüßigen Magd, die mir der oberösterreichische Bauer nach Landessitte als Viehmensch" vor­stellte. Der geneigte Leser wolle bei diesem Ausdruck weder lachen noch ungläubig den Kopf schütteln; denn was man weit­herum in Deutschland   ein Mädchen für alles", in der Schweiz  auf dem Laude furzweg ,, Magd  " oder auch Viehmagd" nennt, das heißt im Salzkammergut   schlechtweg ,, Viehmensch", worunter auch die vielbesungenen reizenden" Aelplerinnen, die Sennerin nen, die naturwüchsigen Grazien der Berge verstanden werden. Deubler  , dem der geistige Umgang mit Gelehrten" zum täglichen. Bedürfniß geworden, dem er auch durch tägliche Lektüre gerecht wird, schwelgt förmlich in Genuß, wenn ihm einmal so ein ge= lehrtes" Individuum ins Gehege kommt. Dabei leidet er keines­wegs an dem Fehler der meisten Laien, die da wähnen, in jedem Studirten", der sich irgendwie einen Namen gemacht hat, gleich

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