schlichten Raume, bei der Lampe - er mit der Pfeife im Munde, ich meine österreichische Virginia rauchend bis gegen Mitterbis gegen Mitternacht die wissenschaftlichen Tagesfragen Revue passiren lassen. Da war einer der ersten Punkte, der zur Sprache kam, die da mals noch bevorstehende 52. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, da Gustav Jäger die menschliche ,, Seele"- ,, an Händen und Füßen gebunden" vorzuführen und zu demonstriren versprach. Deubler schüttelte zu dieser Seelenentdeckung ganz bedenklich sein Haupt bedächtigen Schrittes ging er zum Kasten und holte gleich einen interessanten Zeitungsausschnitt hervor, der streng über die jägersche Seele zn Gericht saß und nach Deubler den Nagel auf den Kopf zu treffen scheint.
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Dergleichen Konversationsstunden nach des Tages Mühen und Lasten wiederholten sich in der Folge jeden Abend; denn an anregendem Stoff" ist bei Deubler kein Mangel. Die Werke der hervorragensten Naturforscher, Philosophen, Historiker und Schrift steller unserer Tagespresse sind ihm geläufig, er kennt die interessantesten Stellen in David Strauß , Carl Vogt , Louis Büchner , Moleschott, Hellwald, Buckle, Feuerbach , J. C. Fischer, Häckel und Darwin so sicher, daß er uns gleich das Buch aufzuschlagen weiß, um schwarz auf weiß zu beweisen, daß er sie recht verstanden. Er ist nicht Naturforscher und dennoch kennt er sie alle, die deutschen Gelehrten und Schriftsteller, welche das Volk zu ehren verstanden, indem sie gemeinverständliche Werke schrieben. Und wir staunen über den Reichthum von Sentenzen, die ihm in Sachen der natürlichen Weltanschauung so geläufig sind, wie dem Schüler das Einmaleins. Er erzählte von Roßmäßler, dessen Mikroskop Deubler wie eine Reliquie hochhält; er kannte den wackern Mann persönlich. Deubler steht seit Jahrzehnten mit hervorragenden deutschen Künstlern, Malern und Bildhauern in persönlichem, freundschaftlichem Verkehr; insbesondere ist es der alte Professor Kummer in Dresden und dessen ganze Familie, die dem schlichten Philosophen des Salzkammergutes mit Leib und Seele zugethan sind; das ,, Atelier" Deublers gibt sichtbare Zeugnisse für diese innigen Beziehungen; daß die Familie Meyerbeer unsern Deubler ebenfalls lieb gewann, ist bereits oben schon gesagt worden. Und wie herzlich standen die Beziehungen Deublers zu dem berühmten bayrischen Alpenschrift steller Heinrich Noë ! Mit einer großen Zahl bedeutender Männer stand Deubler bis an ihr Ende in Korrespondenz und ein Dußend Lebender in aller Herren Länder sind seine regelmäßigen Gäste geworden. Carl Grün verfaßte das Werk Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlaß" droben auf dem Primesberg unter dem gastlichen Dache dessen, der sich mit Stolz zu den treuesten Freunden des Verfassers vom Wesen des Christenthums" zählen darf. Ernst Häckel schrieb an gleicher Stelle das Vorwort zu einer neuen Auflage seiner Anthropogenie. J. C. Fischer, der philosophische Buchhändler und Verfasser des Bewußtsein"(- feineswegs ein Philosoph des„ Unbewußten"), Julius Duboc , Friedrich Schlögl , der berühmte Wiener Feuilletonist( Verfasser von Wiener Luft" und Wiener Blut"), Nordmann, der Präsident des Wiener Schriftstellervereins, Concordia", Ernst Keil und so viele andere, die mit dem schwarzen Blut der Feder die geistige Welt unserer Zeit zu tränken verstanden, gehören zu Deublers Bekannten und Freunden. Zahlreiche Briefe und die Photograhien, sowie die mit eigenhändigen Widmungen gezierten Werke dieser Männer bilden den Schaz, auf den der Philosoph vom Primesberg stolzer ist, als Feldmarschall Radetzki auf seine Orden und Diplome.
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Deublers Bibliothek ist ebensowohl ein Unikum, als er es selber ist. Um sie kennen zu lernen, machen wir den„ Atelier" einen Besuch; ein paar Schritte vor der Hausthür steht im Garten eine kleine Statue, die eine Glaskugel trägt( siehe Abbildung). Dicht hinter derselben befindet sich der Eingang zum mehrerwähnten Atelier, auf dessen südlicher Altane( im Bild ganz links) der Beschauer einen wundervollen Ausblick auf das Traun thal und hinüber zu den Ramsauer Bergen gewinnt. Betreten wir das Innere! Das Ganze ist ein einziger hoher Raum, der wirklich einem Künstleratelier oder auch einer Kapelle gleicht. Links vom Eingang ist längs der ganzen Südwand die tausend bändige Bibliothek aufgestellt:„ Die Natur" von Karl Müller, die Fris", der Kosmos", viele Bände der„ Gartenlaube", Schiller und Goethe, und eine Anzahl älterer und neuerer Dichter nebst Werken über Geschichte, Religion, Philosophie, Anthropologie und Paläontologie, Geologie, Botanik, Physik und Chemie 2c. Wir haben schon mehrfach erwähnt, daß sich hier Dedikationsexemplare von verschiedenen Geistesgrößen zusammen
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gefunden haben: in der That eine wunderliche Gesellschaft, in der sich aber unser Deubler vortrefflich zurecht findet. Wenden wir uns nun nordwärts- welche Art von Ueberraschung! Sind wir wirklich in einem Atelier oder in einem Gotteshause? Mitten auf der nördlichen Wand steht auf architektonischem Postament die Bronzebüste eines Heiligen; ja eines Heiligen ganz eigenster Art: Ludwig Feuerbach . Und am Postament glänzt die bedeutungsvolle Inschrift: ,, Homo homini Deus est". Ueber der Büste ist ein Medaillon desselben Philosophen in Basrelief angebracht. Rechts und links davon begegnen uns alte Bekannte die Porträts von Darwin und Humboldt , Strauß, Häckel und anderer Geistesverwandter. Ringsum auf Tischen und Gestellen finden wir Maler- und Zeichenwerkzeuge, vollendete und unvollendete Delgemälde zieren Wände und Staffeleien und damit die Kunst nicht gar so stiefmütterlich ausgehe, hat sich hier auch ein tadelloser Gypsabguß der herrlichen Mediceerin und haben sich auch die bekannten„ Drei Grazien" eingestellt. Und was ich vor wenigen Jahren geträumt habe siehe da: es ist alles zur Wahrheit, zur greifbaren Wahrheit gewor den. Pallas Athene ist niedergestiegen zur Erde und Gast geworden beim einfachen Mann und hat Wohnung genommen bei denen, die den Tag der Naturerkenntniß mehr lieben, denn die Nacht des Aberglaubens. Und die Meerschaumgeborne- die ewig lächelnde Mediceerin hat Besitz genommen vom Altar, da ehedem die Gestalten des Jammers und des Elendes ihre Weltverachtung so blutig- unästhetisch offenbarten. Ja, es ist Tag, lichter Tag geworden, in der Hütte des friedlichen Mannes, der im Schweiße seines Angesichts sich das Brod erwirbt, um am Abend oder in glücklicher Feierstunde sich an der Lichtſchönheit geistiger Wahrheit zu lezen. Kunst und Wissenschaft Schönheit und Wahrheit welch herrlicher Dualismus in der einheitlichen Welt eines modernen Philosophen!
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Ich bin in meinem Leben weit herumgekommen, habe ein gut Theil Menschenglück, aber auch eine Fülle von Elend gesehen, habe an mancherlei Tischen gesessen die Gastmäler der Reichen, die Tafeln der Geldfürsten sind mir keine unbekannten Dinge und die Hütte des armen Mannes, der mit hölzernem Löffel ans hölzerner Schüssel seine magere Suppe ißt, ist mir kein leerer Begriff; die Frömmsten und Gottesfürchtigsten waren meine Freunde und die in unsern Tagen als„ gottlos" Verschrieenen sind meine Brüder; ich habe alle Gesellschaftsklassen und Gesellschaftsschichten in persönlichem Umgang fennen gelernt: aber nirgends, bei keinem der Sterblichen, die ich bis jetzt gesehen, fand ich dieses Maß innern Glückes und geistiger Ruhe, fröhlichen Behagens und harmonischen Wohlseins wie in der Malepartus" auf Primesberg.
Der Leser findet an der Spitze dieses fragmentarischen Lebensbildes das Porträt Deublers nach einer meiner jüngsten Feder zeichnungen photographisch in Druck gesetzt. Ich hoffe, alle, die den Bauernphilosophen je gesehen, werden ihn in diesem Bildchen wiedererkennen. Mit wenigen, aber durchaus treuen Federstrichen hat dagegen der Wiener Kulturkritiker Friedrich Schlögl den Charakter Deublers skizzirt; die Skizze ist der beste Kom mentar zum Porträt:„ Ein Bild von ungebeugter Urkraft, ein Mann mit stählernen Sehnen, von eiserner Willensstärke, von Muth und Entschlossenheit, von edlem Trotz gegen die Tücken und Nücken des widerlichsten Geschickes, von ehrbarster Gesinnung, die aus jedem seiner Worte spricht, voll milder Duldung gegen Unverstand, voll Rechtlichkeit und Treue, voll kluger Ueberlegung in seinem Handeln, von zäher Ausdauer in seinen Entwürfen, voll Wärme der Empfindung, die aus seinen funkelnden Augen sprüht und blißt, voll aufopfernder Verehrung und Hingebung für jene Geistesheroen, die er zu seinen Göttern erwählt, aber auch erfüllt von berechtigtem Bewußtsein seines eigenen inneren Werthes."
Und das ist ein schlichter Bauer, der am frühen Morgen drüben am Wiesenrain Heu mäht, in brennender Sonnenhize Grummet ( Emd) zum Schober schleppt und am Mittag seine ,, Stoßsuppe" allen andern Speisen vorzieht; ein schlichter Bauer, der uns nach Tisch über Kant, Herbart , Schelling, Fichte, Heyd, Feuerbach , über Adam Smith und Bastiat , und Sismondi be lehrt. Dieser Deubler, der seinen Fuß niemals über die Schwelle eines akademischen Hörsaales gesetzt!
Und da behauptet man immer noch, daß die moderne Weltanschauung nur für die„ oberen" Gesellschaftsklassen, für die Gelehrten" und„ Studirten", nicht aber für den Mann aus dem Volke was nüßen könne, daß sie vielmehr den„ gemeinen Mann"