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unglücklich machen müßte. Deubler ist ein glänzender Beleg für das Gegentheil; er ist ein Prototyp für eine größere Zahl von Denkern im Bauernkittel; denn in verschiedenen Himmelsstrichen hat die Philosophie gerade in jenen Schichten, wo mans am wenigsten vermuthet, ihre begeisterten Freunde gewonnen. Das hat Feuerbach erlebt, als er den Brief von Konrad Haag aus Hüttweilen im Thurgau erhielt, wo ein denkender Bauer dem einsamen Philosoph in Nürnberg seine Bekenntnisse und Huldigungen zu Füßen legt. Das haben andere erfahren, die es un ternommen haben, einen zündenden Gedanken hinauszuwerfen vor das Forum des allgemeinen gesunden Menschenverstandes, es dem Geschick überlassend, ob er ,, unten" oder„, oben", bei dem " Laien" oder„, Gelehrten" auf eine feimtreibende Stelle gerathe. Ich wüßte der Beispiele mehrere zu nennen. An dieser Stelle sei der Name Messikomer, Antiquar in Seegräben am Pfäffikoner See, noch hinzugefügt, jenes Bauerngelehrten", der bei allen Forschern der Pfahlbauten in so großem Ansehen steht. Wird man uns zu den Optimisten zählen, wenn wir behaupten, daß die moderne natürliche Weltanschauung dazu berufen sei, im vollsten Umfange Gemeingut des ganzen Volkes zu werden? Und wird man uns Träumer nennen, wenn wir der Meinung Ausdruck geben, daß keine wissenschaftlich ermittelte Wahrheit gefährlich sein kann, weil eben in aller Wahrheit und nur in der Wahrheit Heil liegt?
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Unsere Gegner werden einwenden, daß es nicht möglich sei, die wissenschaftlichen Wahrheiten dem gemeinen Mann aus dem Volke zum Verständniß zu bringen, daß wir bei unseren Versuchen nur der Konfusion, dem Mißverständniß rufen und obwohl wir das Gute wollen, das Böse vollbringen. Deubler, der Mann, welcher als Müllerknecht noch im 20. Jahre seines Lebens erst das Schreiben erlernen mußte, diese urwüchsige Bauerngestalt wird auch den ärgsten Zweifler beruhigen. Wir haben gesehen, daß er als Knabe und Jüngling über den Verlust seiner Großmutter den Unsterblichkeitsgedanken festhält und in spätern Tagen mehr und mehr zu befestigen sucht. Wir haben aber erfahren, daß er über dem Suchen das gerade verloren hat, was er zu finden und zu festigen hoffte. Und wie äußert er sich dann, als in seinem 61. Lebensjahre der Tod zum zweitenmal ihm sein Liebstes, sein braves Weib, das 42 Jahre ihm ,, ein treuer Kamerad gewesen", ins Schattenreich hinwegführt? - ,, Es ist mir unmöglich, irgendwie luxuriöse Wünsche zu hegen, solche Wünsche nämlich, die über das wahre Wesen und Bedeuten der menschlichen Natur hinausgehen. Es ist mir nie in den Sinn gekommen( am Sterbebette meines Weibes), diejenigen beneiden zu wollen, welche ein Wiedersehen nach dem Tode glauben können; man acceptirt den Tod als eine Naturnothwendigkeit." Und an einem stürmischen Winterabend, da er eingeschneit auf dem Primesberg sißt und in philosophischen Schriften sich erbaut, greift er zur Feder und wirst sein Selbstbekenntniß in knorrigen Schriftzügen auf ein leeres Blatt: In erster Linie habe ich als Freidenker und Mensch die Pflicht der Selbsterkennt niß; denn Selbsterkenntniß führt zum Glück, zur Zufriedenheit. Ich frage mich oft:, Was bin ich? was ist der Zweck meines Daseins? was wird aus mir dereinst werden? Die Antwort
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IV.
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ist: Ich bin ein Theil des Weltalls, der Allgemeinheit, dazu bestimmt, zum Besten des Allgemeinen beizutragen, zuerst zu meinem eigenen, dann zum allgemeinen Glück zu wirken, und ich fördere diesen Zweck. Am Ende dieses Lebens löst sich mein Körper, diese Kombination von Naturkräften, in die einzelnen Bestandtheile auf, woraus er zusammengesetzt ist, und vereiniget sich so wieder mit dem Ganzen, dem er entstammt, um dadurch diesem nach dem Tode nüzlich zu werden. Das ist der Zweck des Menschen von seiner Geburt, bis nach seinem Tode. Ist dieser nicht ein schöner ein erhebender Zwed?"
Das ist die Weltanschauung des Materialisten, dem die Ideale keineswegs verloren gingen, als er die David Strauß , Ludwig Feuerbach , Karl Vogt , Jakob Moleschott , Buckle, Hellwald, Dar win , Häckel und so manche andere Philosophen und Naturforscher mit seinem schlichten Menschenverstand erfaßte und in die Tiefe seines Gemüthes aufnahm.
Die schönen Tage des August sind längst entflohen, nicht aber all die Feierstunden, die ich an der Seite des„ famosen Kampel" durchgenossen habe, als wir zusammen den Hallstättersee umwanderten, den tosenden Waldbachfall besuchten, die Ramsau durchstreiften und hinten am Gosauſee all die Größe und Erhabenheit des gewitterbedrohten Dachsteins in nächster Unmittelbarkeit empfanden. Damals haben die Cyclamen noch allerorten geblüht, da wir hinaufstiegen zur Rosmoosalpe und der Dachstein war noch der einzige der vielen Bergriesen, der Schnee und Gletscher trug. Wie schade, daß es nicht immer so bleiben konnte. Wir beide haben uns fügen müssen: wir trennten uns ungern, aber im Bewußtsein der Naturnothwendigkeit. Gerade im Wechsel der Erscheinungen liegt der Werth des Daseins. Und wenn ich manchmal wähne, die Töne der Aeolsharfe, die Deubler an der Wetterseite seines Sanktuariums anbringen ließ und die so häufig in unsere Konversation einstimmte, zu vernehmen, so überläuft mich jener hohe Schauder geistigen Zusammenklingens mit Einem, den wir zu den Glücklichsten zählen. Ich kann mir heute das herrliche Salzkammergut mit seinen reizenden Seen und seinen schönen Bergen, mit dem biedern Menschenschlag und den einfachen Sitten nicht mehr anders denken als mit Deubler. Er ist der geistige Mittelpunkt dieser österreichischen Provinz und ich meine, daß lettere auf ihn stolz sein darf.
Nicht um zu vergöttern, nicht um zu danken, noch um Andersdenkende zu beleidigen, habe ich diese Skizze niedergeschrieben, sondern aus eigenem Bedürfniß. Es geschieht so selten in unserem Leben, daß wir einen vollkommen Glücklichen antreffen; wenn wir ihn aber gefunden haben, was sollte uns daran hindern, uns selbst und andern zu zeigen, wie man glücklich sein kann? Ich habe während neun Semester akademischer Studien reichlich Gelegenheit gehabt, Philosophie zu hören die beste aber von allen, die hat mich nicht ein Professor, sondern der Bauernphilosoph in seinem Lodenrock und grünen Kniestrümpfen gelehrt. Man sieht: es kommt nicht immer auf die Eleganz der Erscheinung an; der Angelpunkt, um den sich das menschenwürdige Wirken bewegt, ist ganz anderswo zu suchen und wir haben unter den Proletariern mehr als Einen Geisteskönig angetroffen, dem weitherum die„ Spizen der Gesellschaft" nicht das Wasser reichten.
Von M. Wittich.
In dem in den vorherigen Abschnitten geschilderten Zeitraum war die Fremdwörternoth am größten und der Kampf gegen dieselben wurde da am heftigsten geführt. Deshalb glaubten wir diesem Abschnitt auch eine größere Ausführlichkeit angedeihen lassen zu müssen. Nicht als ob später die Einfuhr fremder Waare eingestellt worden wäre und nicht immer wieder von neuem nach einer Grenzsperre in sprachlichen Dingen Rufe laut geworden wären. Seit den Sprachgesellschaften haben unaufhörlich Dichtervereine oder Gelehrtenkreise Grenzwächterdienste geleistet.
Wir stehen jetzt im 18. Jahrhundert. Hier ist nun zunächst Gottsched als ein nicht verdienstloser Mann zu nennen. Bewußt geht er den Fremdwörtern aus dem Wege, ja er nennt sich sogar nicht, wie es ja Sitte der Zeit war,„ Professor der Philosophie und Poesie", sondern vielmehr der Weltweisheit und Dichtkunst
öffentlichen Lehrer". Hochschule" als gutes dentsches Wort für Universität oder Akademie ist ja bekannt genug, und die holländischen Universitätsprofessoren nennen sich noch heutigen Tages hoogleeraar, d. i. Hochlehrer!
Wenn wir die Dichter der Zeit( Gottsched darf kaum für einen gelten, wie oben schon Opit) in's Auge fassen, so schreibt Haller ein ziemlich reines Deutsch. Ebenso ist rühmlich hervorzuheben Gleim, der besonders auffordert:
,, Laßt uns Deutsche sein und bleiben; Deutscher Ausdruck steht uns wohl; Was wir denken, reden, schreiben, Sei des deutschen Geistes voll."
Nicht allgemein bekannt ist die Stellung Lessings den Franzosen gegenüber. Worte hat er weniger aus dem Französischen entlehnt, aber viele Wendungen und Wortfügungen, besonders in