mit seiner Botschaft direkt an Schweder, pflanzte sich in steif respektvoller Haltung, die Tressenmüze in der Hand, vor ihm auf
und meldete:
Frau Bergmann- Stein haben sich nach dem Ankleidesa al begeben, um sich umzuziehen, da sie in den letzten Szenen nichts mehr zu thun haben. Sie werden sich ein Vergnügen machen, Herrn Schweder in zehn Minuten im Foyer zu treffen, welches jezt natürlich ganz leer ist. Frau Bergmann- Stein bedauern nur, daß sie heut ungemein pressirt sind."
Ueber Schweders Gesicht zuckte, blizschnell wieder verschwin= dend, ein Lächeln, das mehr die scharfen Linien des Höhnischen als die weicheren des Spottes darüber hingeworfen hatte.
,, Na, na, mein Lieber. Wenn die zehn Minuten, während deren sich die schöne Frau umgekleidet haben will, nur nicht zu lange dauern; auch ich bin pressirt."
Schweders Besorgniß zeigte sich grundlos. Die zehn Minuten waren noch nicht verstrichen, als die Thür, welche die Bühnen räume mit dem Foyer verband, sich öffnete und eine üppige Frauengestalt von mittlerer Größe, einen dunklen Lockenkopf auf runden, tiefentblößten Schultern wiegend und eine lange und schwere Seidenschleppe mit geübtem Fuße wunderbar geschickt über die Schwelle dirigirend, hereintrat und eiligen Schrittes auf Schweder, der sich auf einem mit grünem Plüsch überzogenen Divan nachlässig hingestreckt hatte zufällig oder absichtlich mit dem Rücken gegen die Thür, durch welche Frau Stein eintreten mußte zuging.
Schweder schien es dagegen doch nicht so sehr eilig zu haben. Er wandte, als er die Thür gehen und die Schleppe rauschen hörte, langsam den Kopf, und langsam erhob er sich.
" Was verschafft mir das jetzt so seltene Vergnügen?" fragte die Dame mit einem Tone, aus dem es wie eine seltsame Mischung von freundlicher Verbindlichkeit und mühsam zurückgehaltener Feindseligkeit hervorklang.
" Ich wollte mir erlauben, an Sie eine Bitte zu richten, meine gnädige Schöne," sagte Herr Schweder, indem er sich ungenirt und unbekümmert darum, daß Frau Stein keine Miene gemacht hatte, sich niederzulassen, wieder setzte.
Die Schauspielerin folgte seinem Beispiel; aber über ihr pikantes Gesicht legte sich der Schatten aufteimenden Unwillens. " Merkwürdig, mein Herr," sagte sie spiz.„ Die Bitte wäre?"
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" Sie möchten heut Abend den Geburtstag, welchen Sie nach der Mittheilung des Billeteurs zu feiern gedenken, nicht im Restaurant Weinhold und bestimmt nicht mit Herrn Alster und seinen Freunden begehen."
Herr Schweder hatte sehr ruhig und höflich gesprochen. Seine Worte mußten aber Frau Stein doch auf das tiefste verletzt und empört haben. Sie war glühend roth geworden und durchbohrte ihr kühl lächelndes Vis- à- vis mit ihren glühenden, dunklen Augen, als sie antwortete:
Sie haben kein Recht, mein Herr, eine derartige, in der That unglaubliche- unglaubliche gradezu unqualifizirbare Bitte an mich zu richten. Ueber das, was ich thue und lasse, bin ich niemanden und Ihnen, Herr Schweder, am allerwenigsten Rechenschaft schuldig."
Sie wollte sich erheben, um davon zu eilen. Schweder legte seine Hand auf ihren runden, sammetweichen Arm und hielt sie zurück.
" Bitte, noch einen Augenblick. Ich bedaure, daß ich eine Macht geltend machen muß der Art, wie ich sie über Fräulein Bergmann zu besitzen das zweifelhafte Vergnügen habe."
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Die Schauspielerin sprang nun dennoch in die Höhe. „ Eine Macht?" rief sie so laut, daß sie sich selbst sofort nach allen Seiten umschaute, ob sie nicht ein unberufener Lauscher gehört hätte.„ Eine Macht, wie sie nur ein Bube geltend machen fönnte, um ein Weib zur Marionette lächerlicher Willkür zu machen-solch eine Macht glauben Sie über mich zu besizzen, mein Herr Schweder, aber Sie irren Sich. Uebrigens," fügte sie ruhiger werdend hinzu,„ kann ich unmöglich glauben, daß ein vernünftiger Mensch eine solche Bitte im Ernst auszusprechen vermag. Eifersüchtig sind Sie doch nicht auf meine Gunst, mein Herr, nicht mehr, oder sind es vielmehr nie gewesen ach, ich wäre vielleicht glücklicher, als ich bin, wenn Sie dereinst so hätten eifersüchtig werden können. Zudem kann ich auf mein Wort versichern, daß ich dem Herrn Alster und seinen Freunden gegenüber selbst meinem Manne keinen Grund zur Eifersucht gegeben habe " Noch nicht?" warf Schweder ein.
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" Noch nicht und auch in Zukunft nie!" gab die Schauspielerin zurück. ( Fortsetzung folgt.)
Von Dr. Max Vogler. ( Schluß.)
Die Beschäftigung mit dem fernen Orient hatte auch noch eine äußere Ursache darin, daß Goethe, der bereits an ihm beobachteten Gewohnheit gemäß, seine Gedanken von den politischen Wirren der Gegenwart, und diesmal seiner nächsten Umgebung, möglichst weit abzulenken strebte, und wir müssen hier unser Urtheil über das geringe Interesse am deutschen„ Befreiungsfriege", das man ihm zum Vorwurf gemacht hat, wenn auch so furz wie möglich, abgeben. Die Anschuldigung, daß Goethe feinen Patriotismus besessen, ist von vornherein durch seine eigenen, in dieser Hinsicht zu dem Historiker Luden gesprochenen Worte zurückzuweisen. Glauben Sie ja nicht," sagte er zu diesem u. a. daß ich gleichgültig wäre gegen die großen Ideen Freiheit, Bolk, Vaterland; nein, diese Ideen sind in uns, sie sind ein Theil unseres Wesens, niemand vermag sie von sich zu werfen. Auch liegt mir Deutschland warm am Herzen. Ich habe oft einen bittern Schmerz empfunden, bei dem Gedanken an das deutsche Volk, das so achtbar im einzelnen, so mise rabel im ganzen ist." Aber er glaubte nicht, daß sich das deutsche Volt durch jene Schlachten wirklich die Freiheit" erkämpfte, und außerdem lag es in der Natur der Verhältnisse, daß er sich nicht direkt an der Erhebung", die er lieber floh, für eine durch die Macht der Thatsachen erzwungene ,, Bewegung" ansehen möchte, betheiligte. Ja, wenn er der gewesen wäre wie Theodor Körner , dann hätte er nicht der Letzte auf dem Plan sein wollen; sagte er selbst aber, Kriegslieder schreiben und im Zimmer sitzen! das wäre so meine Art gewesen!" Wir selbst wollen diesen Worten nicht einmal viel Gewicht beilegen, da wir in der That sache seines schon weit vorgerückten Alters nicht allein den Hin derungsgrund, thätig in das Werk jener Tage hineinzugreifen,
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erblicken mögen. Denn wenn er den innerlichen Drang dazu besessen hätte, er würde, gleichviel wie hoch sich die Zahl der durchlebten Dezennien belief, schmetternde Kriegslieder unter die Kämpfenden hinausgesandt haben; es gab noch ältere Männer als er, die in solchen Fällen auf die eine oder andere Weise fördernd mithalfen, und Goethe hat ganz gut gewußt, daß er viel, sehr viel hätte wirken können wenn er eben der dazu erforderlichen Aufwallung des Gemüths fähig gewesen wäre. Die Sache wird sich also im wesentlichen so verhalten, daß Goethe, obwohl er des Patriotismus nicht entbehrte, erstens an feinen bedeutenden Erfolg jener Anstrengungen glaubte, zweitens aber gerade damals bei dem universalen Charakter seiner Studien an dem gegenseitigen„ Niedermachen" der Völker( in Wort und That), deren Kulturentwicklung sie vielmehr auf ein friedliches Zusammenwirken hinwies, keinen sonderlichen Gefallen fand und sich andererseits des über die Bewegungen des Augenblicks hinausgehenden Ziels seines Schaffens, des mit heiligem Ernst verfolgten besonderen Zwecks seines Lebens zu sehr bewußt war, um den ruhigen Gang seiner immer höher steigenden Entwicklung nicht durch ein Einmischen in die Aufgeregtheit und Wildheit der Gegenwart zu unterbrechen und zu gefährden. Diese konsequent beobachtete Zurückhaltung mag wohl erregbarere Naturen verlezen, sie mag als herzlose Kälte erscheinen, die man dem ,, alten" Goethe so gern andichtet, und es ist wahr, er zeigt durch diese reservirte Haltung seinen Mangel an Sinn für geschichtliche Ereignisse wieder in evidenter Weise; aber doch gerade diese unbeirrbare Ruhe, in welcher er, jupitergleich und sich seiner besondern Ziele vollbewußt, auf die wild und hoch gehenden Wogen der damaligen Welt herabsieht, sie hat etwas Großes und Be