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bereit war seine Gattin zu werden, erfaßte, wußte er glücklicher weise zu überwinden, obgleich diese späte Neigung so heftig war, daß Goethe in der That daran dachte, Fräulein von Levezow zu heirathen. Die Marienbader Elegie" ist aus diesem Anlaß entstanden, während die beiden andern der jetzt in Goethe's Werken unter dem Gesammttitel ,, Trilogie der Leidenschaft" ein­gereihten Gedichte der Madame Szymanowska , einer ausgezeich neten Klavierspielerin, galten, mit der er ebenfalls in Marienbad zusammengekommen war und die sich, wie Belter sagt, rasend" in Goethe verliebte( der Tod von Goethe's Gattin war, wie schon früher bemerkt, bereits am 6. Juni 1816 erfolgt).

Seit dem Jahre 1824 unternahm Goethe keinerlei Badereisen und weitere Ausflüge mehr, sondern ging zu seiner Erholung nur nach Jena und nach den Weimar näher gelegenen Partieen des Thüringer Waldes . Er zog sich überhaupt sehr von dem gesellschaftlichen Leben zurück und verbrachte seine Tage in immer emsigerer Thätigkeit. Je seltener er bei Hofe erschien, desto öfter kamen die Angehörigen der großherzoglichen Familie zu ihm, und aus nah und fern wurde er von bedeutenden Persönlichkeiten besucht. Die zahlreichsten Zeichen der Hochachtung und Verehrung, die er allgemein genoß, empfing er bei der Feier seines goldenen Dienstjubiläums, das am 7. November 1825 äußerst glanzvoll begangen wurde, und an welchem Tage ihm der Herzog, der am 7. September des gleichen Jahres selbst sein goldenes Regie­rungsjubiläum gefeiert hatte, u. a. folgendes schrieb: ,, Die fünf zigste Wiederkehr dieses Jahres erkenne ich sonach mit dem leb­haftesten Vergnügen als das Dienstjubelfest meines ersten Staats­dieners, des Jugendfreundes, der mit unveränderter Treue, Neigung und Beständigkeit mich bis hierher in allen Wechsel­fällen des Lebens begleitet hat, dessen umsichtigem Rath, dessen lebendiger Theilnahme und stets wohlgefälliger Dienstleistung ich den glücklichen Erfolg der wichtigsten Unternehmungen verdanke und den für immer gewonnen zu haben, ich als eine der höchsten Zierden meiner Regierung achte" 2c. Bald darauf sollte ihm, nachdem bereits am 6. Januar 1827 bereits Frau von Stein, 85 Jahre alt, gestorben war, sein fürstlicher Freund durch den Tod entrissen werden( 14. Juni 1828), und tief erschüttert zog sich der Dichter vom Juli bis September auf das einsame Schloß Dornburg zurück, wo er in Liedern voll überaus zarter und in niger Töne seinen herben Schmerz ausweinte. Am 14. Februar 1830 starb auch die Großherzogin Louise, und am 28. Oktober desselben Jahres erlitt er den Verlust seines einzigen Sohnes. Die Gattin desselben, Ottilie, geb. von Pogwisch, wurde dem Dichtergreis, der in den Jahren 1827-1830 bei Cotta noch die Letzte Ausgabe seiner Werke in vierzig Bänden erscheinen ließ( es folgten dieser ,, Ausgabe letzter Hand" von 1832 an noch zwanzig Bände ,, Nachgelassener Werke"), eine heitere, liebevolle Haushäl terin und treue Pflegerin, und in seinen beiden Enkeln, Walther und Wolfgang fand er treue Hausgenossen. So versloß denn das letzte Jahr seines Lebens noch heiter und ungetrübt.

Friedrich Förster, der Verfasser einer vortrefflichen Biographie des Dichters( derselbe, ein Kampfgenosse des Sängers von Leyer und Schwert", beschrieb auch das Leben Theod. Körners), fand ihn bei einem Besuche im August 1831,, in früherer Rüstig­feit des Körpers und Heiterkeit des Geistes". Die Tischgesell schaft" erzählt Förster- ,, bestand heute nur aus Goethe ,

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seiner Schwiegertochter, mir und meiner Frau. Der alte Herr war von bestem Humor, neckte Ottilie wegen ihrer Vorliebe für die Engländer, von denen es ihr gelungen sei, heut ein Muster­exemplar bei ihr einzuschmuggeln. Bei Tisch legte er vor und empfahl besonders die tigergefleckten Forellen, denen man gar nicht ansähe, daß sie zu dem Geschlecht der Raubthiere gehörten. Bei der Strophe des ihm gewidmeten Festgedichtes( am fol­genden Tage war sein Geburtstag) rollten ihm die Thränen über die Wangen, doch ließ er keine Wehmuth aufkommen. Von den Rhein dem Aeltesten!" rief er; Ottilie verstand, was er meinte. Frankfurter Verehrer hatten ihm zu seinem dreiund­achtzigsten Geburtstage eine Kiste mit dreiundachtziger Rüdes­ heimer übersandt, und von diesem edlen Gewächs wurde eine Flasche geleert. Der Engländer William Thackeray , der damals als ein neunzehnjähriger Jüngling in Weimar weilte, erzählt von der damaligen Persönlichkeit Göthe's u. a. folgendes: ,, Diese denkwürdige Audienz( die der Genannte bei dem Dichter hatte) fand in einem kleinen Vorzimmer seiner Privatgemächer statt, welches rings mit Abgüssen von Antiken und Basreliefs bedeckt war. Goethe war in einen langen grauen oder bräunlichen Oberrock gekleidet, hatte ein weißes Halstuch um und trug im Knopfloch ein rothes Bändchen. Die Hände hielt er auf dem Rücken, genau so, wie auf Rauchs Statuette. Seine Gesichts­farbe war sehr frisch, klar und ruhig; die Augen außerordentlich dunkel, durchdringend und glänzend. Ich war förmlich bange vor ihnen und erinnere mich noch, daß ich sie mit den Augen eines Romanhelden aus meiner Jugendzeit verglich, der mit einem gewissen Jemand im Bunde stand und bis zu seinem Lebensende diese Augen in ihrem vollen schrecklichen Glanze be­hielt. Goethe machte mir den Eindruck, er müsse in seinem Alter noch schöner sein, als er in den Tagen seiner Jugend ge­wesen. Seine Stimme flang sehr voll und angenehm. Er fragte mich mancherlei über mich selbst, ich antwortete ihm, so gut ich konnte. Ich erinnere mich, daß ich zuerst erstaunte und dann mich etwas erleichtert fühlte, als ich merkte, daß er französisch mit feinem guten Akzent spreche."" Ich muß gestehen, daß ich mir etwas klarer, majestätischer und gesunder Aussehendes, als der große alte Goethe war, nicht denken kann" 2c. Selbst­verständlich blieben aber die Spuren des Alters, verschlechtertes Gehirn, Gedächtnißschwäche 2c., bei Goethe ebensowenig wie bei jedem andern aus.

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Ende August bis Anfang September 1831 besuchte Goethe noch einmal Ilmenau und das einsame Bretterhaus" auf dem höchsten Gipfel der Tannenwälder", wo er am 7. Septbr. 1783 das unvergleichliche Lied:, Ueber allen Gipfeln ist Ruh", in's Holz gegraben hatte. Das Warte nur, balde ruhest du auch!" sollte sich in naher Zukunft erfüllen; ein Jahr später war er nicht mehr. Nach einer Krankheit von wenigen Tagen schloß er, selbst nicht ahnend, daß sein Ende so nahe sei, um die Mittagsstunde des 22. März von 1832 die Augen für immer. Bis zum letzten Schimmer seines Bewußtseins beschäftigte er sich, wie seine Rede bewies, mit schönen Gedanken. Seine letzten Worte waren, wie allbekannt, der allein seiner würdige Ruf: ,, Mehr Licht!"...

Was sterblich an ihm, ist in der Fürstengruft zu Weimar begraben; das Beste aber, was er besessen, lebt und gehört uns, gehört der Welt und wird dauern bis in die Ewigkeit!

Ueber Fremdwörter im Deutschen .

Von W. Wittich. ( Fortsetzung.)

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Neben Campe ist vor allen Dingen als Gleichstrebender der Turnvater Jahn zu nennen. In einem Auffah über ihn vom Jahre 1820 finden wir folgende merkwürdige Stelle: Diese volksthümlichen Naturen haben einen offenen Sinn für alles, was sich im Volke bewegt, für alles was volksthümlich ist oder, wie Buchholz es nennt, gesellschaftlich( sozial sagt man neuer dings dafür!). Zuerst offenbart sich dieses in der Sprache, welche ein Werk der Gesellschaft ist und die durch Propheten, Weltweise und Dichter gebildet und bereichert wird. Wie sich in Luther der Reichthum der Muttersprache bewegte, so bewegt sich dieser Reichthum in Jahn, und so wie jener, so vermag dieser neue Worte und Wortstellungen einzuführen, die dem Volfe genehm find. Denn die Weltweisen, Propheten und Dichter vertreten in

dieser Eigenschaft das Volk, woher es dann den Philistern immer unmöglich gewesen ist, irgend ein neues Wort oder eine neue Wortſiellung einzuführen, grade weil die Philister niemanden ver treten, als sich selber. Und doch sind sie immer geneigt, sich mit Sprachverbesserungen abzugeben, obgleich solches durchaus nicht ihres Amtes ist.( Sehr wahr!) Jahns Sprache ist noch nicht entwickelt, sie ist noch unvollendet; aber es liegen große Züge in ihr, wie man in seinem, Deutschen Volksthum sieht und in der Vorrede zu seinem, Turnbuche"

Mannes über Sprachmengerei anführen. In den Merke( gleich Wir dürfen wohl auch einige Kraftworte dieses merkwürdigen Bemerkungen) zum deutschen Volksthum" heißt es:

,, Es gibt unschuldige Stoffe, die aber in der Mischung fürchter