lich aufbrausen. Aerger noch ist es mit Worten und einem fremden Sprachthum. Die sind in unserer Sprache ein Laab, was die süße Muttermilch gerinnen macht."

,, Vor Zeiten soll es Leute gegeben haben, die wollten sich verjüngen, ließen sich die Adern öffnen, zapften sich ihr Herz­blut ab, um sich fremdes wieder hineinzuquirlen. So sind die Sprachmenger. Die hat der tolle Hund der Eitelkeit und des Machdünkels gebissen, und nun rennen sie in der Welschwuth über Wortleichen zu Tode.

,, Wie wenn ein Kranker zum Arzeneibereiter( Apotheker!) käme, aus jeder Büchse etwas, von jeder Waare eine Gift ver­langte, dies in einem Allsud mischte sollte er davon wohl genesen? Wenn ein Lecker seinen Geschmack so verfeinert hätte, daß ihm keine Speise mehr mundete, und er nun in seiner Miß lings(?) Nüchternheit zum Quicktoch rennte, dort von aller und jeder Speise eine Gift forderte, diese einzelnen Gifte zu sammen rührte, um ein Prahlessen zu bekommen, so würde vor diesem Allerlei einer freßgierigen Sau sogar Schauder anwan deln und nur ein Hai solches verschlingen.

,, Rechnet man zur Vollkommenheit einer Sprache, wenn sie viel Fremdes hat und immerfort wälschen kann, so muß die Rede des schäbigen Betteljuden über Luther und Klopstock , über Schiller und Goethe stehen, und wir müssen alle noch in die Pohlnische Judenschule, um Plapperdeutsch zu lernen!"

Wir haben diese längere Stelle ausgehoben, um zugleich eine Probe von Jahns Sprechweise zu geben, freilich ist diese noch nicht so voll Originalitäten wie viele andere.

In manchen Punkten muß man Jahn recht geben. Wenn 3. B. auch nicht, wie er will ,,, alle Wortmengerei aus Unkunde, Sprachfaulheit und Vornehmthuerei entspringt," so sind das doch mit Hauptursachen. Unsere Kenntniß von der eigenen Sprache im Volte ist nicht sonderlich groß, auch die Schule gibt noch zu wenig, unser Sprachgefühl und unser Sprachdenken sind ab­gestumpft und ungeübt, das meint Jahn wohl mit dem Vorwurf der Sprachfaulheit; endlich mit dem Prahlen mit Fremdwörtern hat es auch seine Richtigkeit. Wenn Jahn behauptet, keiner könne sich einer zweiten Muttersprache sprachvergessen ,, einkinden", wenn er die erste Sprachmutter verloren, so hat er nicht recht, und wir können ihm den deutschen Klassiker Chamisso, der ein ge= borner Franzose war, und den größten neueren spanischen Romanschreiber Caballero, welcher eine deutsche Frau, eine ge­borne von Faber ist, entgegenhalten. Ueberhaupt vereinigen sich in Jahn die gesteigertste Vaterlandsliebe mit einem gradezu lächerlichen Haß gegen das Ausländische, namentlich das Fran zösische. Er hat speziell den Begriff des Erbfeindes", als welchen wir die Franzosen zu betrachten hätten, geschaffen, und wollte gradezu Deutschland mit Hammen oder urwaldähnlichen Ver­hauen von den Nachbarn getrennt sehen. Unsinnig ist seine Wuth gegen das schulmäßige Lehren fremder Sprachen, die er ,, Sprach­üpge", das soll heißen Ueppigkeit, benamjet hat. Die Viel spracherei ist der Sündenpfuhl, woraus aller Büchernebel dunstet." Bücher in fremder Sprache darf keine Bücherleihe( Leihbiblio­thek) führen. Wer die lesen will, mag zusehen, wo er sie be­tommt." Ja, wenn es eine Seelenwanderung gäbe, so könnte der deutsche Geist nur zur Strafe und Buße in einen Franzosen fahren."

"

Solche und ähnliche Uebertreibungen kann man bei Jahn unzählige finden.

In seinen eigenen Schriften ist er, wie gesagt, strenger Sprach­reiniger. Die Mathematik heißt bei ihm Größenlehre, das möchte gehen, wie noch manches andre, ganz Treffende, aber daß der Liberale und Patriot als Leuthold, die Praxis als Brauch kunst, die Reaktionäre als Rückwärtse, die Religion als Gottes thum übersetzt werden, das streift hart an Besens Thor heit. Freilich meinte Jahn, wenn die gebräuchliche Sprache kein Wort gäbe zum Ersatz für ein fremdes, solle man ein entsprechen des aus den deutschen Volksmundarten aufnehmen oder eines aus der älteren deutschen Sprache wiederbeleben und schrift säßig" machen, wie er es nennt. Das ließe sich ja hören, aber Jahn selbst sucht etwas in seiner Eigenthümlichkeit und geht in ihr bis zur Schrullenhaftigkeit. Er ändert z. B. das ganz gang und gäbe Wort Redensart" in das unverständliche ,, Redniß", ohne alle Noth und ohne vernünftigen Grund. Ebenso sonderbar muß man es finden, wenn er die französischen Ortsnamen Vau couleurs und Belle- Alliance verdeutscht und verlangt, man dürfe sie nur Farbenthal und Schönebund nennen. Schweifen und die Sassen sind Jahus Ausdrücke für Nomaden

Die

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und seßhafte Völker, und derartige Seltsamkeiten könnten wir massenhaft beibringen.

Freilich thut es dem Kenner der älteren deutschen Sprache weh, zu sehen, daß eine ganze Menge guter, treffender deutscher Wörter in einen unverdienten Ruhestand versetzt worden sind, und jezt nur noch im Dialekt oder in den gelehrten Wörter­büchern ein kümmerliches Dasein fristen. Dieses todt und un­fruchtbar daliegende eigene Kapital ist thätsächlich durch unnöthige Anleihen ,, ausländischer Wörter" außer Thätigkeit gesetzt worden, und alles Borgen macht Sorgen: auch das Wörterborgen*)! Trotzdem aber hat Jahn mit freilich verhältnißmäßig wenigen Wortformen durchzudringen vermocht: Volksthum, was er für Nation" prägte, ist bräuchlich geworden, aber ,, Nation " ist da­neben noch ebenso fräftig im Schwang, ja die Wörter Volks­thum" und volksthümlich haben sich im Gebrauche bereits in Bezug auf ihre Bedeutung von den entsprechenden Fremdwörtern entfernt und einen etwas anders gefärbten Begriff erhalten. Einige haben sich in Form und Bedeutung lebensfähig erwiesen, so Havelung( Archipelagus), so Gefließe" für Stromsystem, das selbst die Erdkunde angenommen hat, und manches andere. So sind die Turngeräthe und die Turnübungen fast alle deutsch : Reck , Barren, Ger , Ristgriff, Kammgriff, Welle, Wippe, Wende, Kehre u. s. w. Mit Interesse lasen wir neulich in den Zeitungen, wie die Russen in Dünaburg sich über die deutschen Kommando­rufe der dortigen freiwilligen Feuerwehr aufhielten; diese Tochter­schöpfung der Turnerei hat von ihrer Mutter auch einen deutschen Zug überkommen.

Leider begegnen wir bei denjenigen Männern, welche deutsche Gesinnung zu pflegen, deutsches Volksgefühl zu heben suchen, so oft, ja meist, zugleich dem Nationaldünkel und der Sucht, beson­ders unseren gallischen Nachbarn in Bezug auf Moral etwas am Beuge zu flicken. So bei Hölty:

,, Du lächelst

Muse( Teutoniens) der gaukelnden Afterschwester, Die in den goldenen Sälen Lutetiens*)

Ihr Liedchen flimpert? Schande dem Sohne Tents . Der's durstig trinket, weil es Wollust Durch die entloderten Adern strömet!

Kein deutscher Jüngling wähle das Mädchen sich, Das deutsche Lieder haßet, und Buhlersang Des Galliers in ihrer Laute Tändelnde Silberaccorde tönet.

Bewußt frei sich haltend vom Fremdwörterballast dichtet der ächte Volksdichter Gottfried August Bürger , der nicht von wenigen Edeln" verstanden und gelesen sein wollte, sondern vom ganzen Volke.

Interessant ist auch folgende Stelle aus dem Schauspiel Die Jäger" von Iffland , wo der kerndeutsche, biedere Oberförster und der französisch gefirnißte Amtmann schon durch ihre Sprache gekennzeichnet werden:

Oberförster. Hand in Hand! alte deutsche Treue! Amtmann. Und reciprokes Verhältniß! amikable Be­handlung!

Oberförster. Alles, was ich Ehrliches vermag, ohne aus­ländische Worte vorauf!

Amtmann. O, ich ästimire Sie so. Sehen Sie, Luxus­bedürfnisse aller Art sind gestiegen, ich muß doch Figur machen" u. s. w.

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Selbst der inhaltlich und seinen Anschauungen nach sehr im üblen Sinne französische Kozebue( 1761-1819) läßt eine Gräfin sagen, der ihr Buchhändler sich nicht getraut, deutsche Bücher zu schicken:

Die Zeiten sind vorbei, wo der deutsche Adel sich seiner Muttersprache schämte."

Sie waren aber damals nicht vorbei und in den höchsten Kreisen sind sie heute noch nicht vorbei, wie sehr Jahn auch da­gegen wüthete, daß ein Fürst eine fremde Hofsprache pflegen sollte und nicht ausschließlich die Sprache seines Volkes.

Selbstverständlich finden wir es, daß die Gelehrten, welche sich mit deutscher Sprache beschäftigen, für sie eintreten, wie Hoffmann von Fallersleben , der auch Dichter war.

,, Treu bewahr' in deiner Mitte Vor dem wälschen Uebermuth Deine Sprach' und deine Sitte, Deiner Väter Gut und Blut."

*) Das wird sich im nächsten Abschnitt zeigen.

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**) Paris .