Berliner
Volks- Tribüne
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Social- Politisches Wochenblatt.
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Redaktion und Expedition:
S. O.( 26). Oranien- Straße 23.
№ 14.
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Die neue Reichstagssession.
arbeit und freie Arbeit.
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Sklaven: Karl Marr'
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Sonnabend, den 5. November 1887.
Ausgabe für Spediteure: " Merkur" Zimmer- Straße 54.
I. Jahrgang.
wand für die Beaufsichtigung noch hinzu, der beim„, LohnDie Aufhebung der Sklaverei. sklaven" hinwegfällt. Der Sklave will vom Aufseher Aus Brasilien ist in Amerika der einzige Staat, in zur Arbeit angetrieben sein, er fordert auch sonst schärfste Ent: welchem die Aufhebung der Sklaverei noch nicht vollendet Bewachung, um seine Entweichung zu verhüten.
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Mar Kretzer: Eine Jugenderinnerung. Die Richter und die Unglücksfälle auf Bauten. Eine Statistik der Berliner Maurer. Kleine MitPolitische Nachrichten.- Kleine theilungen. Vereine und Versammlungen.
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Der Zusammentritt des Reichstages . Der Reichstag wird am 24. d. M. seine Sigungen wieder aufnehmen und sich zweifellos nach Kräften bemühen, alle Hoffnungen zu rechtfertigen, welche politische und wirthschaftliche Reaktionäre auf ihn gesetzt haben.
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Den
wickelung und Charakter der französischen ist. Einen Anfang hat man hier zwar bereits 1871 ge- freien Arbeiter treiben der drohende Hunger und die Arbeiterparteien. macht, in welchem Jahre die Befreiung aller Staats- Furcht vor Entlassung zur aufreibendsten Thätigkeit, fie sklaven, sowie aller künftig von Sklavinnen geborenen halten ihn in seiner Stellung wie mit ehernen Klammern Kinder proklamirt wurde. Den übrigen Sklaven aber fest und diese beiden erprobten Hülfskräfte kosten den wurde erst 1885 durch das Gesetz zugesichert, daß ihnen Unternehmer nichts. mit dem Ablauf dieses Jahrhunderts die Stunde Aber noch mehr! Auch der Ertrag der Sklavender Erlösung aus unwürdiger Knechtschaft schlagen werde. arbeit ist erfahrungsmäßig gering. Der Sklave ist verhältSelbst der Erlaß dieses schwächlichen Gesetzes war nißmäßig lässig in seinem Thun , und warum sollte er sich nur nach schweren Kämpfen durchzusetzen. Die Grund- auch das Uebermaß von Anstrengung zumuthen, welches befizer haben sich jedoch allmählich mit ihm abzufinden das Loos des freien Arbeiters ist? Der Sklave fann bei gegelernt, und es gewinnt täglich mehr den Anschein, als ringerer Leistung wohl verkauft werden, aber er kann sobald solle der früher festgesetzte Zeitpunkt gar nicht abgewartet nicht verhungern, da er für den Herrn" ein Besitzstück werden, um die unfreien Arbeiter in freie Proletarier zu darstellt, das Geld zur Anschaffung gekostet hat und das verwandeln. Die Sklavenausbeuter, die früher auf das man daher so leicht nicht umkommen läßt. Die Konkurrenz Er hat zwar der Militärverwaltung bereits un- Hartnäckigste der Emanzipationsbewegung widerstrebten, er seiner erwerbslosen Genossen, die quälende Angst, die erhörte Riesensummen bewilligt, aber trägt er die Schuld kennen nämlich immer deutlicher, daß die freie Arbeit Stellung, von der er lebt, zu verlieren, wenn Andere mehr daran, daß man im Auslande ein Repetirgewehr von aus beutungsfähiger ist wie die unfreie, daß sich aus zu leisten versprechen, zwingt hingegen den freien Arbeiter, kleinerem Kaliber erfunden hat, als es die deutsche Waffe ersterer jedenfalls durchaus nicht weniger Mehrarbeit" feine Kraft bis auf die letzte Neige im täglichen Frohnbesitzt, und kann er daher anders, als sofort neue herauspressen läßt; und sofortige Freilassungen ereignen dienst zu erschöpfen. Millionen zu bewilligen, damit die Armeen mit besseren sich daher massenhaft. Vielfach wird den Sklaven die Dazu kommt endlich noch, daß man dem freien ArGewehren ausgerüstet werden? Freilassung auch nach einer ferneren zwei- bis fünfjährigen beiter vielfach nicht einmal den nothwendigen LebensDer Reichstag hat zwar den Agrariern durch die Dienstzeit zugesichert und die Betroffenen harren dann unterhalt zu gewähren braucht. Man muß ihn wohl Branntweinsteuer in der letzten Session bereits über ruhig aus. gewähren während der eigentlichen Arbeitsperiode, denn man 30 Millionen aus den Taschen der Steuerzahler zugewendet, Die Geknechteten aber, die noch mehr als ein Jahr kann den Proletarier nicht über der Arbeit zusammenbrechen aber wird er nicht troßdem weiter eine offene Hand zeigen, zehnt das Joch der Unfreiheit tragen sollen, haben durch lassen. Aber man kann den freien Arbeiter bei der gewenn die nothleidenden Grundbesitzer die Erhöhung der die Beobachtungen an ihren bessergestellten Brüdern die ringsten Stockung der Produktion entlassen, und während Getreidezölle verlangen? Man weiß zwar, daß die Freiheit schäßen gelernt und brechen in Schaaren aus. dieser Periode der Arbeitslosigkeit braucht der Unternehmer Taschen unserer Landlords unergründlich sind und daß Die Behörden bemühen sich zwar, die flüchtigen Sklaven gar nichts auszugeben. Der Sklave aber will, wie jedes es hoffnungslos iſt, in ein Sieb zu schöpfen; aber man zurückzuführen, aber sie erzielen damit nichts, denn die werthvolle Besitzstück, erhalten sein, auch wenn er feiert. Wo also( durch die Vermehrung der Bevölkerung, setzt das alte Treiben fort, bis dereinst die Steuerkraft Burückgebrachten fliehen immer von Neuem. Zudem macht des Volkes vollständig erschöpft sein wird. An die Zukunft das Einfangen von Sklaven einen widrigen Eindruck und durch Einwanderung, durch Proletarifirung früherer Kleinbesizer) einmal ein genügendes Angebot" freier, wagen die Besitzenden bereits nicht mehr zu denken, erregt einen Sturm in der Presse. Die geschädigten Sklavenbesizer in der Umgegend von aber leerer Hände" sich vorfindet, da hat der Besitz warum sollen sie da für dieselbe sorgen? Die Regierung wird kommen und eine Verlängerung Campinas hatten sich z. B. beschwerdeführend an das gar kein Interesse mehr an der Erhaltung der Sklavender Legislaturperioden, vielleicht auch eine Aenderung Barlament gewandt. Da erwiderte ihnen aber nach der arbeit. Sie leistet weniger und kostet mehr. Ein Beispiel dafür berichteten neulich die Zeitungen des Wahlrechtes verlangen, und wenn sie ernstlich darauf Voss. 3tg." ein Senator, Antonio Prado, der an dem besteht, wird sie alles erhalten. Ja, die Kartellmehrheit zustandekommen des zweiten Sklavenbefreiungsgesetzes von aus Kentucky . Vor dem Kriege mußte der Mann, der wird wahrscheinlich die Vorschläge der Regierung gar nicht 1885 einen hervorragenden Antheil genommen hat, ganz einen Sklaven miethete, 150 bis 200 Dollars per Jahr erst abwarten, sondern mit der Zuvorkommenheit eines fühl: fie könnten nicht verlangen, daß der Präsident der bezahlen und nicht nur die Kost, Kleidung und Pflege rückgratlosen Lakaien selber die Initiative auf diesem Ge- Provinz den capiato do mato( so nannte man in frühe- liefern, sondern auch alles Risiko übernehmen, als ob er ren Zeiten die Bewaffneten, die den Wald nach flüchtigen den Sklaven selbst eignete. Jezt kann er die besten Farmbiete ergreifen. Alles, was den Arbeiter ausnußt und ihn zur besseren Sklaven durchstöberten) mache oder neben jeden Sklaven arbeiter für 10 Dollars per Monat erhalten, und der Ausnutzung nicht abhängig genug haben kann, wird kommen einen Soldaten stelle, damit er nicht ausreiße; es gebe„ Miethling" hat für seine Lebensbedürfnisse selbst Sorge und den Arbeitsbuch zwang fordern, und wenn er troß- kein anderes Mittel, die Sklaven zur Ruhe zu bringen, zu tragen. Als Beispiel diene ein Großgrundbesitzer in der Nachdem abgelehnt werden sollte, so wird es nur geschehen, als ihnen nach einer kurzfristigen Dienstzeit die Freilassung zuzufichern. barschaft einer bevölkerungsreichen Stadt. Vor dem Kriege weil man die Arbeiter bereits fürchtet. Um aber die renitenten Sklavenbefizer gefügig zu besaß und beschäftigte derselbe zwanzig Neger und bei Das Sozialistengeset läuft ab und man wird große Eile haben, es zu verlängern, und vielleicht auch machen und die beschleunigte Umwandlung der unfreien Eintritt des Winters hatte er beinahe nichts für die Leute Arbeit in freie zu erzwingen, soll die Regierung aber zu thun, er mußte jedoch die Leute verpflegen und müßig große Sorge, es zu verschärfen. Das ist alles, was das Volk vom Reichstage zu ermals einschreiten und die Endschaft der Sklaverei auf liegen lassen, da nur etwas Reparatur an Haus und warten hat: Lasten, Laſten und nichts als Lasten! einen näheren Termin gefeßlich feststellen. Die Meinungen Zäunen neben der Viehfütterung zu besorgen war. Jetzt Schmälerung seiner Rechte und Ausdehnung seiner Pflichten! gehen zwischen sofortiger Freilaffung und Aufhebung der beschäftigt er dieselbe Anzahl Leute, aber nur während Und doch, vielleicht, vielleicht wird den Reichstag Sklaverei nach fünf Jahren, d. i. Ende 1892, auseinander. des Sommers; nur einige Wenige zur Verrichtung der noch ein Projett beschäftigen, das wie Balsam lindernd Selbst gut konservative Männer, die noch im vorigen Winterarbeit. Derfelbe theilte einem Korrespondenten mit, auf die brennenden Wunden der Arbeiter wirken soll: die Jahre das Befreiungsgesetz von 1885 als das äußerste daß er aus seiner Farm gerade so viel erzielt, wie vor Altersversicherung. Man weiß zwar noch nicht, ob Maß von Zugeſtändniß betrachteten, erklären heute, daß zwanzig Jahren, aber nur die Hälfte der damaligen die Regierungen endlich einmal zum Abschluß ihrer Vor- dasselbe dringend der Reform in einem die Abschaffung Auslagen hat. bereitungen kommen werden, auch wird der Reichstag nach möglichst beschleunigenden Sinne bedürfe. Und das
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Dies ist mit allen Farmern im Staate der Fall, und
Kräften verstümmeln und beschneiden, was noch zu ver- ist heute die Meinung der Mehrzahl der brasilianischen die Folge ist, daß zur Winterszeit die Ortschaften mit stümmeln und zu beschneiden ist, und endlich hat der Mann Nation, der großen Städte und mächtiger politischer Kreise, freien" Negern überfüllt sind, die ein trauriges Dasein des Volkes geringe Hoffnung, die hohen Jahre zu er gegen welche die bornirten ländlichen Interessenten, wie fristen, bis das Frühjahr ihnen wieder Beschäftigung aber jene Campenenser Landwirthe, schwerlich aufkommen bringt. Schlechte ungenügende Nahrung und kein Schuß reichen, mit welchen die Unterstützung beginnt gegen die Unbilden der Witterung bringen natürlicher wenn alles gut geht, so erhält er doch ein paar Jahre werden. Bornirt nannten wir den Widerstand der Plantagen- Weise viel Krankheit und Leiden unter fie. lang täglich seine dreißig Pfennige, und das wird ihn Da haben wir es schwarz auf weiß, daß der nun gewiß über alle Entbehrungen und Unterdrückungen hinweg- befizer, weil er nicht einmal ihrem Interesse entspricht, trösten, die er während der fünfzig und sechszig Jahre weil sich bisher noch immer herausgeftellt hat, daß die„ freie" Arbeiter viel schlechter daran ist, als der Sklave, Rente des Besizes sich durch die Beschäftigung freier und daß die südlichen Lords dumme Tröpfe waren, als ertragen muß, wo er kein Reichsrentner ist. sie sich der„ Emanzipation" widerseßten, und auch die Unter diesen Erwartungen mag die neue Seffion des Arbeiter an Stelle unfreier nur gehoben hat. Wie sollte es auch anders sein? Dem freien Arbeiter brasilianischen Sklavenhalter würden in ihrem eigenen Reichstages eröffnet werden, der wir wenigstens mit dem einen Troste entgegensehen: daß sie nicht schlimmer aus- muß man freilich ebenso wie dem Sklaven den noth- Intereffe gut thun, sich der Emanzipation nicht in den wendigen Lebensunterhalt gewähren. Aber zu dieser Aus- Weg zu werfen.
fallen kann wie frühere Sessionen.
gabe kommt bei der Sklavenarbeit ein großer todter Auf