An Ferdinand Laffalle.

( geb. den 11. April 1825, geft. den 31. August 1864.) In seine Hochburg bist Du ihm gedrungen, Dem Feind, Du fluggewalt'ger Königs- Aar, Du stießest scharf hinein in seine Schaar Und hast verblutend um den Sieg gerungen;

Dein Name und Dein Wort sind nicht verklungen; So dröhnet Sturmgeläute ehern klar,

Wir hören grollend es in Kampfgefahr, In jedem Streitlied, das von uns gesungen.

Du sahst aus Deiner Höh' nur junges Grün, Doch drangvoll schon ist's in den Halm gegangen, Schon sezt die Aehre an verlangend kühn; Und da der Völkerfrühling angefangen Mit leisem morgenlichen Sonnenglühn,

Hat sterbend noch Dein Blick daran gehangen.- Friz W. O. Kunert.

Die litterarische Revolution des Jüngsten Deutschland."*)

hunderts. Wie in der Sturm- und Drangperiode" Rein- Auch Hermann Conradi   stellt es als seine Aufgabe hold Lenz, Göthes Studienkollege   in Straßburg  , nebst hin in seinem Licht den Lebendigen" auf pg. 92 der Genossen sich zur Devise nahm Wir rufen dem kommen- ,, Modernen Dichtercharaktere" sich zum Anwalte derer zu den Jahrhundert", wobei sie hauptsächlich die Befreiung machen, die ausgestoßen nur des Tempels Stufen und von dem Tyrannenjoche kleinstaatlicher Fürstenmisere und nie das Allerheiligste betreten"

,, Wo sich in bangen Dualen

Um nie gelöfte Räthsel müht ein Geift, Wo auf die Wangen, die verfall'nen, fahlen Der Hunger seine Fingerspur geprägt, Wo sich in wildem Ingrimm eine Hand Zur Faust zusammenballt; wo stets verkannt Ein Mann im Innersten Empörung hegt, Empörung gegen sie, die Kettenschmieder, Da tret' ich hin und singe meine Lieder, Ja, Lieder, die ich nicht erkünftelt und erdacht, Die ich aus tiefstem Seelenschacht

Aus meines Herzens Tiefe trug an's Licht, Und was ich nicht gefühlt, das sing' ich nicht." Des Sängers Lied soll zwar, dessen ist sich Conradi

den Augen bannen, allein seine Lieder

Sie flammen wild zusammen zu dem Schwur: ,, Licht den Lebendigen, die Nacht den Todten."

andern drückenden Fesseln, also hauptsächlich politische Motive im Auge hatten, so leuchten die Stürmer und Dränger" unserer Tage den sozialen Problemen kühn ins Angesicht. Die Verhältnisse haben sich eben von Grund auf verändert. Seit der großen französischen   Revolution vor 100 Jahren ist der vierte Stand auf der Bildfläche erschienen, von der er nicht so leicht wieder verschwinden wird. Die soziale Frage ist eine brennende geworden in dem Maße, daß selbst eine so aristokratische Regierung wie die unsrige sich deren Konsequenzen nicht mehr ent­ziehen kann und durch Palliativmittel, wie Unfallversicherung und Krankenkassen, nach bureaukratischem Schema eingerichtet, die murrende Menge zu beschwichtigen sucht. Und bei bewußt, Balsam auf die Wunden legen und die Thränen dieser Gestaltung der Dinge sollte der Dichter, der be- aus rufenste Interpret dessen, was Tausende bewegt, gleich­gültig und unbekümmert um den Pulsschlag der Gegenwart bei Seite stehen? Nein und abermals nein! Der Geist Den Vertretern der hier kurz sfizzirten modernsten des Künstlers wiegt mehr als das Wert der Kunst" singt Gattung der Lyrik, schließt sich Bogumil Curtius mit der bereits citirte Lenz. Darum muß jeder unbefangene seinem in den Modernen Klängen"( Berlin  , bei Wilhelm Beurtheiler, in dessen Bruſt ein warmes Herz für das Latte) soeben veröffentlichten sozialen Epos Prinz Jason" Vor einigen Tagen erschienen im Verlage von Wilhelm Wohl und Wehe seiner Mitmenschen schlägt, trotz mancher würdig an. Dem Verfasser, dessen satyrisches Zeitgemälde Lathe   in Berlin   Moderne Klänge" von Bogumil Curtius. Unebenheit der Form und Ueberschwänglichkeit des Inhalts, recht lebhaft der Form nach an Heine's Wintermärchen" Wer ist Bogumil Curtius? höre ich unwillkürlich den welchen wir nörgelsüchtigen Kritikern, wie Malkowsky und erinnert, wie es auch, ohne daß der Dichter darin im verehrten Leser ausrufen. Bogumil Curtius ist ein An- Dr. Bernhard Westenberger in den Neuen poetischen Entferntesten seine Selbständigkeit aufgiebt, inhaltlich ein­hänger und Bekenner des Jüngsten Deutschland". Was Blättern"( 1886, pg. 174) ohne Weiteres zugeben, mit zelne Ankläuge an den ungezogenen Liebling der Mufen" versteht man denn eigentlich wird die weitere Frage Freuden das Auftreten eines Sängerkreises begrüßen, der aufzuweisen hat, kommt es offenbar weniger darauf an, lauten unter dieſem sogenannten Jüngsten Deutschland  "? die poetische Behandlung einer so schwierigen und zugleich von der allbekannten Argonautensage" ein einheitliches Das Junge Deutschland" mit seinen litterarischen Ver- so bedeutsamen Materie auf seine Fahne geschrieben hat. Bild zu entwerfen, als in diesem harmlosen Gewande tretern Heine, Gußkow, Laube, Dingelstedt, Theodor Mundt  , Bedeutet es denn nicht einen gewaltigen Fortschritt der grelle Streiflichter auf die gegenwärtig bei uns bestehenden Wienbarg und Kühne ist zu bekannt und schon zu oft in Poefie, wenn z. B. gegenüber dem fortwährenden Singsang Staats- und gesellschaftlichen Verhältnisse zu werfen. So seiner Bedeutung gewürdigt worden, als daß es hier einer von Lust und Liebe und selig goldener Zeit" von Friedrich schließt das Ganze mit einer schrillen Dissonanz ab. Von - ein vollständiger Ab­besonderen Besprechung bedürfte; dagegen schwebt der Be- Adler in seinem vierstrophigen Gedichte Nach dem Streit" dem Geiste, der dieses Fragment griff jüngstes Deutschland  " noch in einem gewissen Halb- mit dem erschütternden Refrain Allein wir hungern, schafft feelt, legen nachfolgende Proben, die sich noch durch Bei­Refrain ,, Allein schluß scheint in Wirklichkeit gar nicht beabsichtigt uns Brod" und von Carl Heuckell in seinem ,, Lied vom Oskar Blumenthal   in seinen neuerdings erschienenen Arbeiter" mit dem am Schlusse jeder Strophe wiederspiele aus den sich an das Epos anschließenden recht ge­lungenen lyrischen Gedichten reichlich erweitern ließen, ein Aufrichtigkeiten" urtheilt über dasselbe in einem Das kehrenden Zeilenpaar beredtes Zeugniß ab: jüngste Deutschland  " betitelten Epigramme folgendermaßen:

bunkel.

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Grün- Deutschland nennt sich eine Schaar

Von polternden Scribenten,

Sie einen den denkbar größten Mund

Mit den denkbar kleinsten Talenten.

Des Selbstlobes widriger Dunst und Dampf Bezeichnet ihre Pfade,

Sie schufen noch keinen Froschmäusekampf Und prahlen schon eine Iliade.

1

" 1

,, Der Hammer sinkt, die Esse sprüht, Das Eisen in der Flamme glüht"

entwirft Arno Holz   in der ersten Strophe seines Sonntags­idyll", 1884 verfaßt, mit plastischer Gestaltungskraft ein abgerundetes Bild eines schönen Herbsttages, um in der zweiten Strophe folgendermaßen fortzufahren:

ein so düsteres Nachtbild von dem aufreibenden Kampfe ums Dasein und von all den traurigen Konsequenzen des. unversöhnlichen Kontrastes zwischen Kapital und Arbeit entworfen wird, daß diese Schilderungen an drastischer und doch zutreffender Gestaltung der Situation ihres Gleichen suchen und nach meinem Dafürhalten wenigstens den Hätte dieses absprechende Urtheil seine Berechtigung, stimmungsvollsten Lenzgedichten unserer Goldschnittpoeten so verlohnte es sich in der That kaum über die genannte ebenbürtig an die Seite gesetzt werden können. Darum litterarische und zumeist lyrische Richtung ein Wort zu geht aber unseren modernen sozialen Lyrikern der Sinn verlieren. Dem ist aber nicht so. Schon die Thatsache für all das Herrliche in der Natur keineswegs ab. Der allein, daß ein geistvoller Epigrammatiker, wie dies Blumen- wesentliche Unterschied zwischen ihnen und ihren Vorgängern thal ohne Zweifel ist- jedenfalls hervorragender als besteht vielmehr darin, daß sie nicht wie diese die Wunder­Epigrammen wie als dramatischer Dichter gegen diese werke der Schöpfung um ihrer selbst willen schildern, größtentheils noch in recht jugendlichem Alter stehenden sondern lediglich im Zusammenhange mit den Erscheinungen Poeten die scharfen Pfeile seines Spottes schleudert, könnte des realen Lebens, oft sogar nur zu dem Zwecke, um uns eines Besseren belehren. Allein abgesehen davon liegt, einen Gegensatz zwischen der schönen Außenwelt und dem um das Gegentheil dieser Vermuthung darzuthun, eine schweren Alltagsleben der Proletarier zu konstruiren. So Reihe anderer bedeutsamer litterarischer Publikationen vor, auf die ich nicht umhin kann gelegentlich Bezug zu nehmen. Hierher gehört in erster Reihe Carl Bleibtreus bereits in zweiter Auflage( Leipzig   bei W. Friedrich) erschienene Revolution der Litteratur", ferner Paul Fritsches Die moderne Lyriker- Revolution", B. Malkowky's Pamphlet, Das lyrische Jung- Deutschland  " im Zeitgeist" Nr. 9, 1886, und zahlreiche Recensionen über die neue Dichter­schule, deren wesentlichste Produktion in Wilhelm Arents Moderne Dichtercharaktere"( Berlin   1885) ihren Sammel­punkt gefunden hat. Das bezeichnete Werk ist außerdem mit Einleitungen von Hermann Conradi   und Carl Heuckell versehen. Die drei zuletzt genannten Männer, sowohl Arent, als auch Conradi und Heuckell, wie auch die oben erwähnten Bleibtreu und Fritsche gehören selbst zu Ver- Vollständig dieselbe, soeben gekennzeichnete Tendenz tretern dieser Richtung. Als Hauptrepräsentanten derselben verfolgt Paul Fritsche in seinem Es werde Licht", wie laffen sich mit Fug und Recht wohl die beiden Brüder dies Hart, Heinrich und Julius, anfübren. Von letterem werden im laufenden Jahrgange des Deutschen Dichter­heims" in einer Artikelserie Die litterarische Bewegung der Gegenwart" interessante Aufschlüsse über das Denken und Wollen dieser poetischen Stürmer des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts gegeben.

Soviel über die Litteratnr, welche diese Bewegung bereits gezeitigt hat, wenden wir uns nunmehr zu den Erzeugnissen. Als ein gemeinsamer Grundzug, der sie alle durchweht, läßt fich das Bestreben feststellen, den Kreis der für den Rahmen der Dichtkunst gewöhnlich als geeignet geltenden Stoffe zu erweitern. Unverkennbar ist hierbei die Aehnlichkeit mit einer gewissen Richtung gegen Ende des vorigen Jahr­

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*) In dem Feuilleton unserer No. 2 war gesagt worden ,,, von dem mächtigen Leben, das sich gegenwärtig in den breitesten Volks­schichten regt, von dem ganz eigenthümlichen und neuen Geiste in den Massen des werkthätigen Voltes" pulsire vom Roman natürlich abgesehen nichts in unserer modernen Poesie. Gleich­jam zur Erwiderung darauf übersendet uns Herr Dr. Carpin den obenstehenden, schon vorher abgefaßten Auffaz. Wir gewähren demselben gern Aufnahme, bemerken aber ausdrücklich, daß wir die

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,, Doch also wars nur draußen fern im Haag, Durch die Fabrikstadt schlich der Werkeltag, Das schwarzberußte Schurzfell um die Lenden War er bemüht die Woche zu beenden. Er ließ das Eisen wie im Licht erglühn, Und mehr als hundert Effen Funken sprühn, Und unbekümmert um den eignen Jammer Schwang er den centnerschweren Schmiedehammer. Hier wars ein Schienenwagen, dort ein Schiff, Der Schornstein rauchte und der Dampfhahn pfiff, Die Räder rollten ewig um im Kreise,

Und alles drehte sich im alten Gleise."

nachstehendes Beispiel beweisen wird:

,, Heut' will ich ganz moderner Dichter, Will Proletarierdichter sein, Heut' ruf' ich euch als Sittenrichter Ein ,, Richtet recht" ins Herz hinein. Scherzt nicht bei frohen Feftgelagen Vom Pöbel, der es so" gewohnt Ihr kennt ja kaum vom Hörensagen Das Elend, das euch stets verschont. Euch fallen ja bei müß'gem Lungern  Noch reiche Renten in den Schoß! Kennt ihr die Schreckenstunde ,, Hungern", Das Jammerstöhnen ,, Obdachlos  "? Ihr stolzt einher in Sammtgewändern Berschleudert Tausende für Tand, Verhäßlicht euch mit bunten Bändern Und schließt der Armuth Herz und Hand! Ihr schlaft auf weichen Flaumentissen, Und fahrt vier Pferde lang juchhei! schlägt euch niemals das Gewissen, Fühlt ihr euch ganz von Sünden frei? Auf Posten jeder und der Sieg ist euer!

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Wer legt die Hände schlaff in seinen Schoß?

Auf! Säumet nicht! Sonst wird das Ungeheuer

Der soziale Nothstand riesengroß.

Es werde Licht" ist vorläufig nur erst ein Torso. mitgetheilten Verse nur bringen, um die Behauptung zu belegen, Der Verfasser will hier, nach dem von ihm selbst pg. 49 daß in der That die Poeten des Jüngsten Deutschlands  " in ihrer feines Werkchens Die moderue Lyriker- Revolution" auf­Weise mit den sozialen Problemen der Gegenwart ringen. Mit ber rein fünstlerischen Schäßung der modernen Lyrit hat das gestellten Programm, in einer Reihe ideal zusammenhängen­nichts zu thun und Herr Dr. Carpin scheint uns am Schlusse mit der Bilder ein großes Gemälde unserer Zeit und der in seinem Lobe zu freigiebig. Die zuletzt abgedruckten Strophen von ihr pulfirenden bösen und guten Mächte liefern," er will Bogumil Curtius erscheinen uns z. B. als die bedenklichste versgeworbitten, drohen, verspotten, warnen", und sein Lied soll dene Prosa. Aber hier handelt es sich nur darum, ob der Inhalt von den fozialen Strömungen der Gegenwart beeinflußt ist, und ein Bliz sein, der mit seinem Donnern(? d. R.) und da hat Herr Dr. Carpin das Wort. D. R.   Knattern weiteste Kreise aufweckt, vielleicht sogar zündet."

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,, Das, was ist, das ist vortrefflich?" Nein der Satz mir nicht behaget; Vieles muß noch anders werden, Eh' ich es vortrefflich nenne.

Ueberall hört man die Klagen, Daß die Zeiten gar so schrecklich, Daß der Reichthum bei den Menschen, Doch zn ungleich sei vertheilt.

Diese Klagen sind berechtigt, Hab' gar oft schon überzeugt mich, Nichts davon ist übertrieben, Nein, mir scheint, es ist noch schlimmer. Für die allerschwerste Arbeit Ist der Lohn nur ein geringer, Kaum, daß er genügend ausreicht, Für die Kleidung, für das Essen.

Und des armen Mannes Kinder Wachsen auf mit Schmutz und Rindvieh, Für Veredelung der Seele

Sorgt bei ihnen man gar wenig.

Zu dem Lafter, zu dem Diebstahl Läßt man förmlich sie erziehen; Warum sollen sie entbehren Während Wuch'rer Rothwein saufen?-

In des Parkes dunklen Gängen Harrt die Gräfin des Geliebten, Strafbar ist nicht ihr Betragen, Denn sie hat nur ein ,, Berhälmiß. Macht die unerzog'ne Tochter Jenes armen Proletariers Aus der Schönheit eine Quelle, Die die Eltern reichlich nähret,

Werden gallig alte Tanten, Spuckt der Dirne in's Gesicht man, Und hat sie kein Sittenbüchlein Führt man ab fie in's Gefängniß..

Geht ein fleiß'ger Schlossermeister Nach des Tages schwerer Arbeit Abends in ein freundlich Gasthaus, Sich am Glase Bier zu laben,

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Drückt der Richter, drückt der Lieutnant Schleunigst sich aus dem Lokale: ,, Länger fann man hier nicht bleiben, Weil gemischt sehr die Gesellschaft."

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Naturgemäß ist es, daß derartige Lehren seines Er­ziehers auf Jason nicht ohne Einfluß blieben, denn sein

,, Herz war unermeßlich

Schlug mit Feuer für die Freiheit Und durch seine Seele wogten Heil'ge, ftrahlende Gedanken.

Ja ich will die Welt beglücken, Will Genuß den Armen schaffen, Warum ift er ausgeschlossen Aus der befferen" Gesellschaft?

Ist es etwa eine Schande Einen Kittel anzuziehen? Ist das Handwerk wen'ger achtbar, Als die Rechtsverdreherei?

Stüßt ein fleiß'ger, braver Pflüger Nicht oft mehr mit seinem Eisen, Als ein herrischer Minister, Als ein feiger, dummer Lieutnant? Bin aus freier Ueberzeugung Socialist  , das heißt ein Volksfreund, Glaube, daß wir dann nur Menschen, Wenn wir frei und gleich und Brüder. Wollen materiellen Wohlstand Und den Fortschritt wir uns sichern, Muß die Produktion geregelt Und ganz frei sein die Entwicklung.

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