Entmickelung und Charakter der franxöftschen Arbeiterparteien. IV. z Die Egalite, als wissenschaftlich sozialistisches Organ, brachte gleich in ihrer erstell Nummer(17. No­vember 1877) eine scharfe Kritik der französischen Arbeiter- klasie, die von 1868 bis 1876 bei allen ihren Lebens- äußerungen alle sozialistischen Grundsätze öffentlich abschwor. Eine Ausnahme davon hatte nur die Zeit der Kommune gemacht, während welcher einige wirklich zu Gunsten der Arbeiter angenommene Maßregeln eingeführt worden waren. Zu diesen zählte die Aufstellung einer Statistik aller verlassenen Werkstätten, behufs ihrer sofortigen Ueber- gäbe an Produktivgenossenschaften der Arbeiter; ferner das Verbot der Nachtarbeit für Bäcker und Verkürzung der Gehälter sämmtlicher Staatsbeamten auf 6000 Francs. Mit aller noch so scharfen Kritik und mit allen ökonomischen Artikeln, welche den modernen Sozialismus predigten, konnte die Egalite unter solchen Verhältnissen vorläufig nicht viel ausrichten. Noch auf dem zweiten Lyoner Kongreß der französischen Arbeiter(Januar 1878) zeigte sich, daß dieselben noch lange nicht mit reinen Klassenforderungen auftraten, sondern mit Forderungen, die sich zum Theil schon längst überlebt hatten. Eine gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages für Frauen be­gründete der Kongreß damit, daß esschwächere Wesen" sind(ce sont des etres plus faibles). Ferner brückte er den Wunsch aus, es möchten Kreditanstalten für Ar- beiter und Produklivgenossenschaften gegründet werden, damit sich das Lohnsystem allmählichvon selbst" ab- schasse.Die Lohitarbeit ist nur ein Ucbcrgangsstadium zwischen der Sklaverei und einem noch ungenannten Zu- stand(etat innomme)." Endlich erklärten sich die Dele- girtenim Prinzip gegen jede Einmischung der Gesetz- gebung." Jeder Versuch, eine dem Sozialismus geistesverwandte Erklärung durchzubringen, wurde entschieden zurückgewiesen. Zwei sozialistische Delegirte brachten folgcitde Resolution ein:In Erwägung, daß die Emanzipation der Arbeiter erst dann als Thatsache betrachtet werden kann, wenn dieselben den vollen Ertrag ihrer Arbeit genießen werden, daß es aber zur Erreichung dieses Zieles nothweildig ist, die Arbeiter in Besitz aller für die Produktion crforder- lichen Elemente zu setzen der Rohmaterialien, wie aller Arbeitsmittel solle der Kongreß alle Arbeiterassoziationen auffordern, die praktischen Mittel und Wege zu swdiren, um das Prinzip des kollektiven Besitzes von Grund und Boden und allen Arbeitsmstrumenten in Kraft treten zu zu lassen." Dieser Beschluß wurde, wie zu erwarten, mit allen gegen acht Stinlmen verworfen, ohne zu langen Debatten Anlaß zu geben. Die Egalite verlor trotz dieser Niederlage den Mtith nicht, sie freute sich des Erfolges, daß sich zwei Arbeiter gefunden, welche die von ihr gepredigten Lehren vor einem Kongreß vertreten und vertheidigt hatten, dessen Ver- Handlungen die gesammte französische Presse mit Spannung verfolgte. Uebrigens trug die auf dem Kongreß erlittene Nieder- läge der Egalite nur zu deren Hebung bei. Durch ihre Angriffe auf die angeführte Resolution sowie gegen den Kollektivismus förderte die bürgerliche Presse nur die sozialistische Propaganda. Das sozialistische Organ ver- doppelte seinen agitatorisch-propagandistischcil Eifer, es wurde zum Kern- und Mittelpunkt einer neugebildeten Gruppe gleichen Namens, welche ihre Anhänger unter den energischesten Mitgliedern der Arbeiterklasse suchte und fand. Natürlich fehlte es der Egalite nicht an Gegnern. Außer der Bourgeoispresse hatte sie noch alle Gewerk- sch asten mit ihrem Prinzip der Selbsthilfe, sowie die Anarchisten und alle durch Gefühl oder Verhältnisse sozialistisch angehauchten unklaren Köpfe gegen sich. Eine Zeit lang fand sich kein Drucker für das Blatt, die Regie- rung verfolgte dasselbe mit endlosen Prozessen, doch alle Versuche, die sozialistische Stimme zum Schweigen zu bringen, scheiterten, sie fuhr nach wie vor fort, die modernen sozialistischen Ideen zu verbreiten. Im März 1878 bcthciligte sich die Egalite nebst ihrer Gruppe am Jahresbanket zu Ehren der Kommune und ließ Adressen an die ausländischen Sozialisten votiren, dadurch ihren internationalen Charakter doku- mcntirend. Guesde und seine Freunde begnügten sich nicht mit der schriftlichen Propaganda. Sie besuchten alle Arbeiter- vereine und Arbeiterversammlungen, um daselbst in De- batten Propaganda für die von der Egalite vertretenen Lehren zu machen. In Wort und Schrift legten sie scharfe, klare Kritik an die Arbeiterkongresse und deren Resolutionen. Sie suchten die Arbeiter über das Sparsystem, die Konsum- vereine und Produktivgcnosscnschaften, und den Fachunterricht aufzuklären und den Glauben zu zerstören, daß diese als Universalmittel eine Gesundung der Gesellschaft herbei- führen könnten. Bor Allem aber bemühten sie sich, die Vortheile und Nothwendigkeit sozialistischer Arbeiter- kandidaturen darzulegen, und zwar allen Bourgeois- kandidaturen, die radikalen inbegriffen, gegenüber. Bei jeder Gelegenheit zeigte sich, wie sehr die Arbeiter- Massen noch von dem kleinbürgerlichen Geist durchdrungen waren, der das Heil in schwächlichen Reformereien sucht. Die Energie, Thätigkeit und Beredsamkeit der kleinen sozialistischen Gruppe blendete sie wohl und wurde von ihnen beifällig besprochen, aber nur wenige ihrer Glieder kamen ins kollektivistische Lager. Gegen Mitte 1878 schlössen sich den Kollektivisten erst sechs Korporationen an: Schlosser, Tischler, Schneider, Gerber, Mechaniker und Handelsgehilsen, sowie der Konsum- vereinEgalitaire". Das war zwar eine kleine, aber um so energischere und thätigere Macht. Bald erhielt sie die Oberhand in der Arbeitermasse, und der Kollektivismus oder Sozialismus triumphirte auf der ganzen Linie. Ein Umstand hatte viel zum Sieg der Egalite bei- getragen. Der Lyoner Arbeiterkongreß hatte beschlossen, während der Weltausstellung von 1878 einen inter­nationalen Arbeiterkongreß einzuberufen. Guesde hatte sofort begriffen, wie wichtig dieser Kongreß für den Sozialismus werden konnte, obgleich seine Einberufer nichts weniger als sozialistisch waren. Dank Guesde konnte das für die Arbeiten des Kongresses festgesetzte Programm beide unter den Arbeitern herrschenden Strö- mungen befriedigen: revolutionäre Kollektivisten wie klein- bürgerliche Reformisten. Da veröffentlichte die Polizei- präfektur das Verbot des Kongresses. Die ftiedfertigen Arbeiter erschraken und traten von der Kongreßbewegung zurück. Guesde, mit seinen Freunden und den sechs ge- nannten Korporationen, bemächtigte sich jetzt der Führung und beschloß, den Kongreß trotz des Verbotes tagen zu lassen. Namens der französischen Arbeiterklasse empfingen sie die Vertreter der englischen Druckes Unions. Dieses energische Auftreten der Kollektivisten der Regierung gegen- über imponirte den Arbeitergruppen, die vom Kongreß zurückgetreten waren. Sie verlangten jetzt Zutrittskarten für ihre Delegirten und anerkannten damit indirekt den Sieg des modernen Sozialismus über ihre kleinbürgerlichen Bestrebungen. Vor Allem war es die Gruppele proletaire", fast durchgängig aus Führern der Gcnossenschastsbewegitng bestehend, welche Zulassung zum Kongreß forderte. Damit trat der revolutionäre Sozialismus die Führer­schaft der Arbeiterbewegung an. Tie Regierung beschleu- nigte noch seinen Sieg dadurch, daß sie am ersten Tage des Kongresses, am 4. September 1878, die Delegirten verhaften ließ. Nur 34 Delegirte wurden vor das Polizeigericht zitirt, und Alle beauftragten Guesde mit ihrer gemein- samen Vertheidigung. Guesde antwortete auf die An- klage durch eine mehrere Stunden dauernde Rede, ein wahres Manifest des modernen Sozialismus, welche in ganz Frankreich größtes Aussehen erregte. Der Prozeß wirkte bei weitem mehr für den Sozialismus als der ver- botene internationale Kongreß unter den obwaltenden Um- ständen hätte wirken können. Selbstredend ward Guesde und seine Freunde zu Ge- sängnißstrafen verurtheilt, aber ihre Vcrurtheilung war eilt Sieg, denn die ganze Arbeiterklasse ergriff für sie und ihre neue Lehre Partei. Die Bourgeoiszeitungen beschäf- tigten sich lang und breit mit dem Prozeß, und die Ver- urtheilten ließen Guesde's Vertheidigungsrede in Taufen- den von Exemplaren in den Fabriken, Werkstätten und Arbeitenvohnungen des ganzen Landes verbreiten. Aus St. Pelagie(Gefängniß für politische Ver- urtheilte), wo die Kollektivisten ihre Strafzeit abzubüßen hatten, erließen sie einen Aufruf analle Proletarier, Kleinbauern und kleinen Unternehmer", und forderten die- selben auf,von den jetzigen jeweiligen Besitzern Grund und Boden und Arbeitsinstrumente zurückzunehmen, d. h. das gesammte bewegliche und unbewegliche Kapital, und dasselbe als soziales und nationales untheilbares und un- veräußerbares Eigenthum zu erklären." Diesem Aufruf schlössen sich viele Städte an; unter anderen Vienne , Troyes , Saint-Eticnne, Pontoise , Orleans , Perpignan , Marseille , Cette, Beziers , Grenoble , Limoges , Pnteaux. Dies war der Anfang zur Bildung der kollektivisti - scheu Partei, der nur noch die offizielle Anerkennung durch einen Kongreß fehlte. Der Kongreß von Marseille , im Oktober 1879, sprach diese Anerkennung aus, es war der erste sozialistische Kongreß, der in Frankreich tagte. Dieser für die französische Arbeilerbewegnng wichtige Kon- grcß adoptirte das Programm der revolutionären Arbeiter- partei. Mit 73 gegen 27 Stimmen erklärte er die Roth- wendigkeit des Kollektivbesitzes aller Produktionsmittel und daß die Ueberführung derselben in gesellschaftliches Eigen- thum nur durch eine soziale Revolution geschehen könne. Als vorläufige Mittel zum Zweck wurden beschlossen das Eingreifeil der Partei in die Politik und ihre Be- theiligung bei allen Wahlen, legislativen wie kommunalen, behufs Eroberung der politischen Gewalt. Die sozialistische Arbeiterpartei konstituirte sich und Frankreich wurde in sechs Regionen getheilt: 1. Paris , für das Zentrum des Landes; 2. Lyon , für den Osten; 3. Marseille , für den Süden; 4. Bordeaux , ftir den Westen; 5. Lille , für den Norden und 6. Algier für Algerien . Das eigentliche Programm der Partei wurde auf Beschluß des Marseiller Kongresses erst im nächsten Jahre (1880) ausgearbeitet und auf dem Nationalkongreß von Havre (16. bis 22. November 1880) wie bereits im Juli des nämlichen Jahres auf dem Reaionalkongrcß des Zentrums(Paris , 18. bis 25. Juli 1880) angenommen und bestätigt. Guesde war nach dem Marseiller Kongresse mit der Ausarbeitung des Programms beauftragt worden. Er hatte sich zu diesem Zwecke mit B. Malon in schrift­stellerische Verbindung gesetzt, der damals noch als Exilirtcr in der Schweiz lebte, ferner auch mit P. Lafargue, welcher gleichfalls als Verbannter in London weilte und mit P. Brousse, dem wir bald in der französischeil Bewegung begegnen werden. Ferner war natürlich Guesde in direktem Zusammenhang mit seinen Pariser Freunden geblieben. Im Mai 1880 war Guesde nach London gereist, um sich mit Marx , Engels , Lafargue und Lombard in direkte Beziehungen behufs Ausarbeitung des Programms zu setzen. Brousse, welcher sich damals gerade in London aushielt, wurde zur Berathung des Programms nicht zugezogen, weshalb er sich von dieser Zeit an Guesde, dem Programm und den deutschen Sozialisten gegenüber feindlich verhielt. Das Programm der französischen kollektivistischen Arbeiterpartei unterscheidet sich in keinem wesentlichen Punkte von dem Programm der deutschen Sozialdemo- kratie und den Programmen, die in allen kapitalistisch produzirenden Staaten von den sozialistischen Parteien angenommen worden sind. In theoretischer Beziehung entspricht es vollkommen dem Programm einer jeden modernen Arbeiterpartei, die auf dem Standpunkt des wissenschaftlichen Sozialismus steht. Die Fassung der einzelnen Programmartikel zeichnet sich durch ihre präzise Knappheit und Klarheit aus. In praktischen Fragen mag es Unterschiede zwischen ihm und den Programmen der Bruderparteien geben, Unterschiede, wie sie durch die be- sonderen Verhältnisse, unter denen die französischen Genossen zu kämpfen haben, und durch Anpassung an die lokalen Interessen hervorgerufen und bedingt werden. Seinem Wesen und den Hauptzügen nach kann es von jedem Sozialisten, welcher Nation er auch angehören mag, unter- zeichnet werden. Wir werden in der Folge sehen, wie dies geradezu klassische Programm von Brousse und seinen Anhängern alsdeutsches Programm" verschrieen wurde, weil an seiner Ausarbeitung außer den Franzosen (Guesde, Lafargue , Lombard) noch Marx und Engels theilgenommen hatten. Nach seiner Rückkehr von London schickte Guesde allen der Partei angehörenden Gewerkschaften und Studien- zirkeln das Programm zur Begutachtung ein. Verschiedene Gruppen verlangten noch unwesentliche Zusätze, aber der Hauptsache nach wurde es von allen anerkannt und dann im Juli auf dem Regional-, im November auf dem Nationalkongreß von Havre bestätigt. Durch definitive Annahme des Programms auf dem Havrer Nationalkongreß kam es zu einem Bruch zwischen Sozialisten und den Ueberresten der Kooperatisten der ftanzösischen Schulze-Dclitzschianer, die an ihrem alten Zopfe festhielten.) Da der Kongreß von den Kooperatisten organisirt worden, so zogen sick die Sozialisten aus dem Sitzungs- saal zurück und tagten in einem anderen Lokal. Der Kongreß debattirte sechs Tage lang und nahm schließlich das in London ausgearbeitete Programm einstimmig an. 1 Fortschritte des Sonalismus. Dem gegen Ende September d. I. in Bussalo statt- i gefundenen Kongreß der Sozialistischen Arbeiterpartei der{ Vereinigten Staaten lagen einige äußerst interessante Be­richte über die Fortschritte der Arbeiterbewegung in ver­schiedenen Ländern vor. Wir glauben unseren Leser» einen Dienst zu erweisen, wenn wir daraus in Kürze das Folgende hervorheben: 1 Vereinigte«tauten(1886 und 1887). Die Jahre 1886 und 1887 waren in der Geschichte der Arbeiter-Bcwcgung von ganz besonderer Bedeutung, unvergleichbar durch die Zahl der Kämpfe war die Be- wegung, die arbeitende Klasse zur politischen und ökono- mischen Freiheit zu führen. Daß die Sozialisten einen hervorragenden Antheil daran genommen, bedarf kaum der Erwähnung. Sie haben namentlich bedeutend agitatorisch zu Gunsten des Normalarbeitstages von acht Stunden gewirkt- Nach dem Kongreß von Cincinnati war es eine der ersten Aufgaben der National-Exekuiive, die Agitation für die Achtstundcnbewegung in Angriff zu nehmen und die Ge­werkschaften zu überzeugen, daß es nicht genüge, zwecks der allgemeinen Arbeiterverhältnisse, den bloßen Weg des wirthschaftlichen Kampfes auf der Grundlage der heutigen Gesetzgebung zu betreten, sondern, daß zu der ökonomischen die höhere sozialpolitische Agitation hinzutreten müsse, um durch Gesetze dasjenige dauernd zu erhalten, was der Organi- sation in einem Augenblick der Begeisterung zu erkänipfen gelungen ist. Es folgt sodann eine kurze Darstellung der Acht- stunden- und der gewerkschaftlichen Arbeiter-Bewegung überhaupt. Die Verurtheilungen der Boycottcr in New-Uork wie andere Verfolgungen veranlaßte die Zcntralleitung, in Verbindung mit der New-Dorker Sektion und mit den Vereinigten Deutschen Gewerkschaften, eine Massenversamm- ltmg am 7. Juli 1886 in Cooper-Jnstitut einzuberufen- Sie gab den Anstoß zu der politischen Arbeiterbewegung und den Erfolg vom 2. November, wo in New-Iork 68 000 Stimmen für den Arbeiter-Kandidaten H. George abgegeben wurden. In Chicago und Mil- waukee, wo die Verfolgungen am heftigsten waren, entstand die Partei der Lohnarbeiter zuerst. Es folgt sodann eine Kritik der bestehenden Arbeiter- Parteien. Von der Union Labor Party wird gesagt, daß sie wesentlich kleinbürgerlich sei und die Bekämpfting der großen Kapitalsmonopole, nicht des Kapitalismus i"1 Abgemeinen, erstrebe. Die United Labor Party(wörtlich� Vereinigte Arbeiterpartei) in New-Aork habe# unter dem persönlichen Einfluß von H. George ganz ä" einer Landsteuerpartei entwickelt. Die erste Platsorw *) Diese sind seit 1880 hoffähig geworden und werden Ministerium des Innern protegirt. Diese Chinesen der Arbeitet- bewegung werden hier oft als Barbarettisten bezeichnet, nach cinew gewissen Barbarei, der an ihrer Spitze steht und sein Bureau"" Ministerium des Innern hat.