arbeit die Feierabend- und Nachtarbeit blühen möchte. Das ist in den Gutachten oft genug ausgesprochen worden. Daß dabei auch eine Anzahl Arbeiter sich gegen ein Ver- bot der Sonntagsarbeit erklärten, weil sie in Folge ihrer Kurzsichtigkeit die Wirkungen eines solchen Verbots nicht zu übersehen vermochten, und bei gedrückten Löhnen be- schäsligt, befürchteten, mit noch verkürztercm Verdienst sich begnügen zu müssen, ist ebenfalls in den Berichten aus- gesprochen. Wo bliebe der Rückschritt und aller Konserva- tismus, wenn er die beschränkte Masse nicht zur Stütze hätte? Haben nicht Diejenigen immer das Kreuzige! mit am lautesten geschrien, für welche die Gekreuzigten am rührigsten eintraten? Die Kunst der Erhaltung des Be- stehenden liegt darin, die Masse gegen ihr Interesse im Glauben an die Nothwendigkeit des Bestehenden zu er- halten und sie gegebenen Falles dafür zu fanatisiren. So kommt es, daß die Masse, die vernünftigerweise oftmals das Bestehende als ihren Interessen feindlich erkennen sollte, es vertheidigt und seine Gegner bekämpft. Das erleben wir auch wieder bei der Frage des Verbots der Sonntags- arbeit. Wer die Menschen und den Gang der Dinge kennt, wird über die gegentheilige Entscheidung so vieler eigentlich für ein Verbot persönlich Jnteressirter nicht ver- verwundert sein; man kann sich viel eher wundern, daß so viele, namentlich aus den Unter nehmer kreisen, für eine Neuerung sich entscheiden, die noch vor wenig Jahren fast allgemeinem Widerspruch begegnete. „Im Ganzen sind die Erhebungen für die Freunde der Sonntagsruhe günstiger ausgefallen, als man erwarten konnte, obgleich man offenbar sich bemühte, die Uebel möglichst abzuschwächen, und die Reichsregierung kann sich der Nothwendigkeit nicht entziehen, endlich gesetzgeberisch vorzugehen." Ausbreitung der Frauen- und Kinderarbeit in den Vereinigten Staaten . Die„Cincinnatier Zeitung" schreibt: „Es giebt Leute, welche bezüglich der Arbeiterfrage nicht glauben, was ihnen nicht klar mit Zahlen bewiesen wird. Ueber die Uebel, welche unser gegenwärtiges System des Produzirens zur Folge hat, ist schon so manches Treffende und Wahre geschrieben worden, aber so lange es nicht durch unbestreitbare Dokumente belegt werden kann, findet es bei der großen Masse unseres Volkes keinen Glauben. „So mit der Kinderarbeit. Während in Fabrikstädten diese moderne Ungeheuerlichkeit stetig zunimmt, begegnen wir in kapitalistischen Zeitungen noch häufig der Behauptung, daß die von den Arbeitern darüber gemachten Angaben sensationeller Natur seien und das Uebel viel schwärzer schildern, als es in Wirklichkeit sich darstelle. Und da der Journalist oder Redner der Arbeiterpartei nicht immer die nöthigen Zahlenbeweise herbeischaffen kann, so muß er nicht selten jenen Blättern das letzte Wort, d. h. anscheinend Recht lassen. „Es ist daher eines der nothwendigsten Erfordernisse einer wirksamen Besprechung der Arbeiterftage, gleichviel ob in Zeitungen oder von der Rednerbühne herab oder im Privatkreise, statistische Belege für die Arbeiter zur Hand, wenn nicht im Kopf zu haben, und allzeit schlag- fertig dem Gegner entgegentreten zu können. „Das ist leichter als Viele glauben, da trotz des kurzen Bestehens unserer statistischen Staats- und National- Bureaus(der von uns schon öfter erwähnten„Bureaus für Arbeitsstatisttk") dieselben schon eine Fülle des inter - essantesten Materials zum Verständniß der Arbeiterlage gesammelt haben; das aber wegen der Mühe und Vorbereitung, die es kostet, um die Zahlen zusammenzustellen, in den Ärbeitcrorganen leider viel weniger benutzt wird, als es im Interesse der allgemeinen Aufklärung zu wün- scheu ist. „Doch um zur Kinderarbeit zu kommen! Caroll D. Wright's, des Bundesstatistikers, letztjähriger Bericht über die in verschiedenen Industriezweigen beschäftigten Arbeiter zeigt, wie in immer größerem Maße allmählich die Weiberarbeit die des Mannes, und die der Kinder die beiden anderen verdrängt. „In der Fabrikation von Wollenwaaren sind in den von den Bureau-Beamten untersuchten Geschäften in Missouri und New-Hampshire gar keine Kinder beschäftigt; im ersteren Staat dagegen ein Fünftel aller Arbeiter erwachsene weibliche Personen und im letzteren ein Drittel. In dem gottesfürchtigen und frömmelnden Massachusetts sind in derselben Geschäftsbranche ein Achtel der Beschäftigten— Kinder, drei Achtel erwachsene Mädchen und Frauen, und nur die Hälfte Männer. Im Staate New-Pork sind drei Zehntel(also fast ein Drittel) Kinder, zwei und ein halbes Zehntel Weiber, und nicht ganz die Hälfte Männer. Aber Vermont steht mit seinen Wollen-Fabriken in der Kinder-Ausnutzung obenan, indem von den darin Angestellten drei und ein halbes Zehntel(35 Prozent!) Kinder sind, zwei Zehntel(20 Prozent!) erwachsene Frauenspersonen und vier und ein halbes Zehntel (nur 45 Prozent!) Männer. „Bei der Fabrikation von Metall und Metall- waaren fand man in Delaware , Indiana , Maryland , Massachusetts und anderen Staaten nur Männer beschäf- tigt; in Ohio dagegen waren ein Zwanzigstel der Arbeiter Kinder, in New-York ein Sechzehntel und in Illinois ein Siebentel! „Im Kutschen- und Wagengeschäst waren in den in New-Dork und Connecticut besuchten Werkstätten weder Frauen, noch Kinder beschäftigt, in Illinois dagegen ein Sechzehntel Kinder und in Ohio ein Bierzehntel der Be- fchäftigten Frauen."— Und dies sind noch lange nicht die schlimmsten Zahlen. Aber auch bei diesen kann man nicht umhin, zu fragen: wenn in einigen Staaten der nordamerikanischen Union die Produktion ohne Kinder- und Weiber-Arbeit möglich ist, warum nicht in anderen? Die Antwort lautet: weil die Konkurrenz die Fabrikanten in jenen Staaten noch nicht dazu getrieben hat. Da aber diejenigen Unternehmer, welche„am billigsten" produziren, d. h. am meisten die billigsten Arbeitskräfte ausbeuten, heute die anständigeren Konkurrenten besiegen und vernichten, so wird die Kon- kurrenz allmählich überall die gleichen verheerenden Folgen erzeugen— wenn nicht durch Gesetz die Kinderarbeit all- gemein verboten und die Frauenarbeit geschützt wird, und wenn durch starke Organisationen der Arbeilerinnen die Löhne der Frauen nicht gehoben werden. Geschieht das nicht, so werden alle Fabrikanten mehr und mehr die Kinderarbeit einführen und die Männer zwingen, zu Hause zu sitzen und von dem zu existiren, was ihre Kinder auf Kosten ihrer Gesundheit und ihrer jungen Leben verdienen. Kann irgend eine kapitalistische Zeitung vielleicht er- klären, warum das so sein muß, und ob im Angesicht dieser unleugbaren Thaffachen die Konkurrenz, die Pro- duktion auf der Basis der Trennung von Kapital und Arbeit— denn sie ist die Mutier der heutige» Kinderarbeit — ein Segen oder ein Fluch der Menschheit ist?! Sozialistische Sekten in Frankreich . i. Z Abgesehen von den Fraklionen der Possibilisten und Kollektivisten existirt in Frankreich eine wahre Unmasse von politisch- ökonomischen Kirchen und Kapellchen, welche sich, der Zeitströmung entsprechend, mit dem Titel„sozialistisch" und„revolutionär" herausputzen und ihren Doktrinen einen Tropfen reinen oder verfälschten sozialistischen Oels bei- mengen. Unter diesen„sozialistischen " Sekten verdienen die Blanquisten den ersten und hervorragendsten Platz, auf den sie sich in Folge ihrer zähen Energie und ihrer muster- gültigen Organisation emporgeschwungen haben. Dank diesen beiden Eigenschaften finden sie bei jeder Aktion, welche sie unter der Masse hervorrufen, zahlreichen Anhang, und ihre Haltung ist z. B. bei Wahlen zc. in verschiedenen Arrondissements von ausschlaggebender Be- deutung. Obgleich sie zuweilen mit den Possibilisten und sehr oft mit den Kollektivisten Hand in Hand gehen, haben sie doch ihr eigenes Programm und volle Autonomie be- wahrt. Anfangs nur eine Gruppe politischer Geheimbündler und Verschwörer, wurden sie nach und nach zu einer politischen Partei, die von den Thatsachen, von der Be- rührung mit den sozialistischen Doktrinen gedrängt, sich auch mit den ökonomischen Fragen beschäftigen mußte. Und wenn man in einer blanquistischen oder sozialistischen Versammlung die Redner der Partei hört, findet man kaum einen Unterschied zwischen Blanquisten und Sozialisten heraus, sobald es sick um die Kritik der heutigen Gesell- schaff k. handelt. Aber einen Schritt weiter, und die Differenz tritt zu Tage: die Sozialisten sind der Ansicht, daß die Emanzipation der Arbeiter das Werk des Prole- tariats und das Resultat einer geschichtlich-ökonomischen Entwickelung sein müsse; die Blanquisten dagegen find überzeugt, daß die Volksbefreiung die That eines kleinen Häufleins energischer Männer sein könne, die sich durch einen kühnen Handstreich zu Herren der politischen Gewalt gemacht, und die von dieser Stellung aus durch die„freie Gemeinde"(Kommune) das Gesammtwohl dekrctiren. Der Tradition ihres Meisters und Gründers gemäß sind die Blanquisten Staatsstreichler par excellence geblieben, nur sozusagen demokratische, revolutionäre Staatsstreichler. Blanqui war in Frankreich einer der ersten revolutio- nären Kommunisten. Während die Utopisten von einer idealen Gesellschaft träumten, welche die Interessen der Besitzenden und Nichtbesitzenden in Einklang setzen würde, zeigte Blanqui schon in seinen Jugcndschriften, daß er eine Aussöhnung der widerstreitenden Interessen für durchaus ausgeschlossen hielt, nur die„Gewalt" könnte den„sozialen Ungerechtigkeiten" ein Ende machen. Blanqui's Einfluß auf die Masse war nur gering, theils weil er bei der eigenthümlichen Richtung seiner Thätigkeit seine Kraft in jakobinistischen Komplotten ver- zehrte, sich direkt nur an einen eng beschränkten Verein wandte und die Mitwirkung der Masse erst in letzter Instanz forderte, theils auch wegen seiner langen Haft- zeiten in verschiedenen Gefängnissen. Von 1830—1880, also binnen 50 Jahren hat er nicht weniger als 37 Jahre im Gefängnisse zugebracht!— Desto größer war aber der Einfluß; man ist fast versucht zu sagen, die magische Gewalt, welche er auf seine engeren Freunde und An- Hänger ausübte, eine Gewalt, welche zusammen mir der militärischen Disziplin, die er seinem Kreis gegeben, zum absoluten blinden Gehorsam gegen seine Befehle führte. Die ersten schwachen Keime der Konstitrürung der Blanquisten als politische Partei datiren gegen Ende des Kaiserreichs. Anfangs der sechsziger Jahre, während einer Haft in St. Pölagie(Gefängniß für politische Verbrecher) machte Blanqui die Bekanntschaft mehrerer Studenten und junger Gelehrten, welche daselbst wegen geringfügiger Preßvergehen Strafen abbüßten. Blanqui verstand, die unklaren jugendlichen Köpfe und die leidenschaftlich pulsiren- den Herzen zu erobern und organisirte die jungen Leute in eine kleine aber wunderbar gut disziplinirte Truppe, die er zu einem wahren revolutionären Offizierkorps heraus- bildete. Er bediente sich der Gruppe, um 1864 auf dem Kongreß der Freidenker von Lüttich , eine revolutionäre Manifestation in Szene zu setzen. Ferner war sie es, welche die Demonstration von Menilmontant organisirte. Die Studenten, welche dabei unter dem Rufe:„Es lebe die Republik " über den Boulevard zogen, wurden ver- haftet, desgleichen auch Arbeiter, welche während des Handgemenges gegen die Polizei und für die Manifestiren- den Partei ergriffen. Im Verlaufe der Haft traten Stu- dcnten und Arbeiter in enge Beziehungen zu einander, letztere wurden bald eifrige Anhänger„der Alten", und dies war der erste Schritt, mit dem der Blanquismus aus den kleinbürgerlichen Kreisen in die Faubourgs der Arbeiter stieg. Die neue Heeresmannschaft war nicht müßig. Schon im folgenden Jahre, 1865, konnten fünf Mitglieder der blanquistischen Gruppe mit Hilfe der von den Arbeitern aufgebrachten Gelder als Delegirte zu dem Genfer Kongreß der Internationale gesandt werden, und zwar mit dem be- stimmten Auftrage, die Mitglieder der Pariser Sektion gründlich anzugreifen. Obgleich nämlich Blanqui die Gründung der Internationale mir lebhafter Genugthuung begrüßte, mißfielen ihm doch Zusammensetzung und Tendenzen der Pariser Sektion höchlich. Die Mehrzahl der in ihr vertretenen Arbeiter waren im Grunde und wie sich später zeigte harmlose Spießbürger, die sich ein und für allemal mit schwächlichen ökonomischen Reformen begnügt hätten. Dazu verhielten sie sich dem Ideal der Republik gegenüber kalt und gleichgültig. Blanqui wollte die Pariser Sektion„deparlamentarisiren und rcvolutioniren", und der Kongreß sollte ihm dazu behülflich sein. Der Kongreß verweigerte jedoch den blanquistischen Delegirten, die keine Sektion der Internationale repräsentirten, das Recht, an den Sitzungen Theil zu nehmen, und so setzten sich dieselben unter das Publikum, von da aus die Pariser Sektion auf das Heftigste angreifend. Dieses Vorgehen rief natürlich große Aufregung hervor, während welcher die Ordre vom Meister einlief, die Angriffe einzustellen. Tie Delegirten weigerten sich jedoch zu gehorchen,„da nur die Arbeiter, welche ihre Reise bezahlt, ihnen Gegen- befehle zu ertheilen hätten." Dieser Ungehorsam gegen „den Alten" war eine so unerhörte Thatsachc, daß die Delegirten bei ihrer Rückkehr von der Partei in Anklage versetzt, aber freigesprochen wurden. Mit dem kleinen Häuflein seiner Anhänger trat Blanqui wieder im August 1870 in Aknon, indem er den Posten der Pompiers-Sapeurs(soldatische Feuerwehr) von La Billette angriff und von da aus Paris revolutioniren wollte, ein Versuch, der selbstredend fehlschlagen mußte. Die blaue Septemberrepublik enttäuschte die Blanquisten gründlich, und so blieben sie während der Belagerung die Häupter und thätigsten Agenten der revolutionären Bewegung. Während der Kommune zählten die Blanquisten, die eine kleine, aber sehr energische Minorität im Zentral- komitee halten, neun der ihrigen in der Gemeindevertretung, und dieselben gehörten zu den Leitern und Organisatoren des Widerstandes bis zuletzt. Nach dem Fall der Kommune flüchteten die Blanquisten nach London , wo sie in der Hoffnung in die Jntcrationale eintraten, sich derselben bemächtigen und sie nach ihrem Sinne ummodeln zu können. Da jedoch ihre diesbezüg- lichen Pläne fehlschlugen, so zogen sie sich von der Inter - nationale zurück und gründeten die„Commune revolution- naire". Sobald die Amnestie ihre Rückkehr nach Frankreich erlaubte, stellten sie sich wieder unter ihren Meister, dem die Wahl von Bordeaux 1879 die Thore des Gefängnisses von Clairvaux geöffnet hatte. Mit den Trümmern der alten Gruppe und etlichen neuen Anhängern formirte nun Blanqui seine„revolutionären Cadres" und gründete die „revolutionäre Partei." Dieselbe hat in vielen der Pariser Arrondissements ihre Komitec's, welche sämmtlich mit dem revolutionären Zentralkomitee verbunden sind. Die Disziplin der Organisation ist äußerst stramm und wird mit militärischer Strenge gehandhabt. Die Partei hatte eine Zeit lang ein tägliches Blatt„Ni Dieu, ni Maltre" (Weder Gott noch Herrn), welches später nur noch wöchent- lich herauskam und dann ganz verschwand. Das letzte Lebensjahr Blanqui's war mit einer im- gemein thätigen Propaganda ausgefüllt, welche sich an die Arbeitermasse wendete. Aber der alte Verschwörer wurde zwar gern gehört und lebhaft applaudirt, fand jedoch nur geringen Anhang, die Strömung der Arbeiterbewegung begann bereits sich in rein sozialistischer Richtung vorwärts zu bewegen. Blanqui, der in seinem Leben fiinfmal zum Tode verurtheilt gewesen, starb friedlich an einem Schlag- flusse bei einem seiner Freunde in großer Armuth. Seine Anhänger führten die Agitation weiter, und zwar der Tradition des Meisters gemäß. Erst in den letzten Jahren haben sie sich, wie bereits bemerkt, den öko- nomischen Fragen zugewendet und dadurch die Physiogno- mie ihrer Pattei etwas verändert. Die Blanquisten sind Kommunisten und Hebertisten; als letztere wollen sie Alles durch die Gemeinde und die Diktatur der Kommune von Paris über alle Kommunen Frankreichs.„Sobald das Volk von Paris in den Besitz der Macht gelangt, wird es mit allen Mitteln revolutionär vorgehen," dies ist einer ihrer Hauptglaubenssätze. Ihr Programm ist so allgemein„revolutionär" gehalten, daß sie mit allen die jetzige Gesellschaft bekämpfenden Parteien gehen können.
Ausgabe
1 (10.12.1887) 19
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten