gemäße Lernen teilweise überschäßt hat und daß dar­über das Gegengewicht der förperlichen Ausbildung ver­nachlässigt sei. Schlimmer aber, als diese Einseitigkeit der Schule hat jedenfalls das überhandnehmen der In­dustrie mit ihrem überwuchern der Maschinenarbeit ein­gewirkt, die so viele frische, junge Kräfte in mechanische, geistlose Tätigkeit einspannte. Als erschwerendes Moment kam noch dazu, daß mit der seit der Gründung des Reiches so rasch zunehmenden Wohlhabenheit des Volkes, von der jetzt allerdings nichts mehr geblieben ist, eine große Bergnügungssucht und eine Bügellosigkeit, nament­lich der jungen Leute immer stärker hervortrat, die durch das Elend des langen Krieges noch verschärft wurde. Die elterliche Autorität wird wenig mehr ge­achtet. Gänzlich verloren gegangen find die feineren Um­gangsformen der früheren Zeit, da ist es kein Wunder, daß gerade unsere Jugend an Sprache und Haltung, an äußerem Benehmen und innerem sittlichen Gefühl manches zu wünschen übrig läßt.

Wie ist es nun zu erreichen, wieder jenes feine Ge­fühl für den inneren und äußeren Anstand, für die Not­wendigkeit des Anpassens an unsere Mitmenschen zu gewinnen? Wie können wir den Bildungsdünkel be­fiegen, den so manche unserer höheren Schüler zur Schau tragen, die doch, schon in jüngeren Jahren schwächlich und furzsichtig, dem praktischen Leben weltfremd und hilflos gegenüberstehen? Da sind nun für unsere er­werbstätige Jugend manche Einrichtungen getroffen, die ihnen ein Gegengewicht gegen die einseitige Maschinen­arbeit bieten, wenn auch noch nicht in ausreichendem Maße. Die jungen Leute können turnen, wandern, es wird ihnen die verschiedenste geistige Anregung geboten. Was nun die Leistungen der Schule anbetrifft, so haben fich in den legten Jahren die Stimmen derer vermehrt, die eine Änderung fordern. Der Philosoph Herbart , der bon 1776-1841 lebte, hat als Professor in Göttingen gewirkt und war der erste Schulmann, der neben der rein geistigen, nur aufnehmenden Tätigkeit, die Garten­und Feldarbeit, vor allem aber die eigentliche Hand­arbeit forderte, so daß man ihn wohl den Entdecker des erziehlichen Unterrichts genannt hat. Nach seinen Leh­ren haben eine ganze Reihe bekannter Schulmänner Er­ziehungsanstalten geleitet und die gemachten Erfahrungen haben gezeigt, wie richtig seine Forderungen waren. Wir dürfen natürlich nicht vergessen, daß das jetzt überall eingeführte Turnen in richtiger Weise ausgeübt, als ausgezeichnetes Gegengewicht gegen die sipende Tätig keit des Schülers, feinen Körper frisch und lebendig er­hält. Für unsere Knaben muß es aber durch die Aus­bildung der Handfertigkeit ergänzt werden. Für die Mädchen ist der Handarbeitsunterricht längst in die Neihe der als wichtig angesehenen Fächer eingerückt und seit einigen Jahren einer durchgreifenden Reform unterzogen worden.( Bergl. Nummer 9 dieser Zeitschrift: Was bringt der Handarbeitsunterricht unseren deutschen Frauen.") Nun wird ja die Handarbeit der Mädchen in der Hauptsache auf die Verarbeitung von Textilwaren beschränkt bleiben, das heißt, was wir im engeren Sinne unter Stoffen verstehen, alles was gesponnen, gewebt, gewirkt, genäht, gestridt oder gestickt wird. Auch für die Knabenhandarbeit würden diese Stoffe natürlich nicht ausgeschaltet werden, aber in der Hauptsache würde diese in eigentlicher Werkstattarbeit bestehen. Da kämen dann Bapparbeiten, Modellieren, Tischler- und Schmiedearbeiten und ähnliche in Betracht. Allen diesen Arbeiten gemein­sam ist der gleiche erziehliche Einfluß; alle müssen mit äußerster Genauigkeit und Ordnung ausgeführt werden, wenn sie gelingen sollen. Mit einer gewissen Hand­fertigkeit allein ist noch gar nichts gewonnen, die Schulung des Auges ist ebenso unerläßlich; aber auch

37

der Wille, der zur Anspannung aller Kräfte nötigt, wird gefestigt und geschult. Lernen nun die Kinder selbständig zu arbeiten, dürfen sie möglichst ihrem eigenen Geschmack folgen, fönnen sie ihre Phantasie spielen lassen, so werden sie das gewinnen, was das Leben erst wirk­

70. Dunkelblaues Kleid mit bunter Wottstideret. Das Kleid ist in Kittelform aus einem gefärbten Soldaten. mantel gearbeitet. Gürtel, Taschenpatten und Armel sind mit Seidenpaspel in rostbrauner Farbe umrandet. Ver­schluß des Kleides in der Rüdenmitte mittels Seiden. tnöpfen und Knopflöchern. Anliegendes Futterleibchen. Die Stiderei ist in rostbrauner Farbe im Stiel- und Flachstich ausgeführt. Stidereimuster 2.50 M. Normalschnittmuster in den 4 Oberweiten erhältlich. Preis 1.40 M. Maßschnitt 4 M. Erforderlich 3,50 m neuer Stoff 100 cm breit. Schnittmuster F. H. 70.

lich lebenswert macht: Arbeitsluft und Arbeitsfreude. Es ist nun schon viel auf diesem Gebiete geleistet worden, die zahlreichen deutschen Vereine für Knaben­handarbeit haben in Werkstätten und Schulen tüchtige Arbeiter herangebildet, an Lehrmitteln und Lehrbüchern fehlt es nicht, ich brauche nur das treffliche Werk zu nennen: Der deutschen Jugend Handwerksbuch.* Mußer­dem natürlich eine ganze Reihe von Büchern für Einzel­fächer, z. B. Flechtarbeiten von Heinrich Bralle, und eine Fülle von Material in den Blättern für Knabenhand­arbeit. Auch im Auslande, z. B. in Amerika , England und Frankreich bestehen sowohl staatliche wie private Schulen für den Handfertigkeitsunterricht; sehr bekannt dürfte der in den nordischen Ländern, namentlich in

* Herausgegeben von Prof. Dr. L. Pallat. Verlag B. G. Teub ner, Leipzig u. Berlin . Inhalt: Papparbeiten, Sieben, Bilder Drud- mit Linoleum und Papier, Holzarbeiten: Spiel sachen, Gebrauchsapparate. Anfertigung von Tuockpapier, Holz. brechslerei, Metallarbeiten, Drahtarbeiten, Blecharbeiten, elet trischen Apparaten.