Jahrg. 2
1920
Heft. 11 12. Juni
Die Frau und ihr Haus
Zeitschrift für kleidung Gesundheit Körperpflege und Wohnungsfragen
Beilag e 3#r
„ O Ferienzeit, Du gold'ne Zeit!"
A Für die Stadtfinder sind die großen Ferien in jedem Jahre von höchster Bedeutung; viel wichtiger für fie, als für die Kinder auf dem Lande. Das Landkind hat täglich frische Luft, Bewegung im Freien; es hat Abwechslung reinster Art, wenn es durch Wald und Feld streift, wenn es im hügeligen Land, am Flüßchen oder am See wohnt. Die Ferien bedeuten ihm weiter nichts als Befreiung vom lästigen Schulzwang. Meist ist es zwar so, daß Arbeit in erhöhtem Maße von ihm gefordert wird, besonders zur Zeit der Ernte. Deshalb finden wir auch in den Gegenden Deutschlands , in denen Landwirtschaft vorherrscht, geteilte Ferien: Kornferien, Kartoffelferien. Gut wäre es aber dem Landkind, wenn es dann und wann zu längerem Aufenthalt in die Stadt käme: es wächst nicht weltfremd auf, wenn es einmal im Industriegebiet die großen Schlote rauchen sah; wenn es die Massen der rußigen Gestalten erblickte, die in Fabriken arbeiten, in denen allerlei nütliche Geräte für
Gleichheit
Haus und Küche
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und für die Landwirtschaft hergestellt werden. Früh zeigt sich dann gewiß die Erkenntnis, daß Stadt und Land ohne einander und jedes für sich nicht leben und gedeihen können.
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Umgekehrt ist es von heilsamstem Einfluß, wenn recht vielen Stadtkindern die Möglichkeit gegeben wird, einige Wochen auf dem Lande, in der Landwirtschaft, zu verweilen. Gegenwärtig treibt in Deutschland allerdings die grinsende Not dazu, daß wir uns mit aller Kraft für die Verschickung von Stadtkindern aufs Land befassen. Die Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit haben unsäglichen Schaden getan, und wenn hier nicht geholfen wird, sind„ englische" Krankheit, Bleichfucht und Tuberkulose in furchtbarstem Umfange Volksfrankheiten. Nicht erst frank werden lassen! Das ist bekanntlich der Wahlspruch der sozialen Fürforge. Die Ursache aller übel bekämpfen! Das ist die beste Wohlfahrtspflege!
Aber Alle können nicht aufs Land. Wenn auch die schwächsten Kinder der unbemittelten Schichten unseres
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G.KR