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Scherenschnitte
Rachbrud
Es gibt kaum eine Stunft, Die mit so wenigen und so ein fachen Mitteln eine so starte Wirkung zu erzielen weiß, wie der stilreine Schattenriß. Er be cänft sich in seinem Aus drud auf die Umriglinie und den Gegensat bon dunklen und hellen Flächen. Ein der artig lapidares Gestalten glüdt nur dann, wenn die künstlerische Anschauung die Form in ihren wesentlichen Rügen erfaßt hat und ficheres Können die Schere befähigt, den W.isungen des formgebenden Willens bis ins fleinste gehorsam zu sein. Weniger denn jedes andere verträgt das Schattenbild eine unbestimmte ausdrucksleere Linie; denn die eine Umriglinie muß eine so flare, eindring liche Sprache reden, daß sie das in gebeimnis. vollem Dunkel oder Weißverborgene Innenleben der umschlossenen Form gleichsam mitantlingen läst und auf solche Weise die
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ergänzende Vorstellung im Beschauer auslöst. Ahnlich wie beim Relief wird sich jede Form in jener Ansicht daraneten, die über ihr Wesen und ihren Zusammenhang den meisten Aufschluß gibt. Die Forderung nach gesteigerter Ausdrudskraft der Linie, die in der Kargheit der hier gewählten Darstellungsmittel begründet liegt, bringt es mit sich, daß das geschnittene Bild auf Etilisierung hindrängt. Es handelt sich nicht darum, alles zu fagen, sondern das, was wichtig ist.
Wirkt so beim Scherenschnitt der Zwang zu bündigem Ausdruck stilbildend, so tut dies das Werkzeug nicht minder. Anders berfährt die Schere mit dem Papier als Stirt oder Feder. Sie hadt ein, fie frist, bald in großen martigen Zügen, bald mit unendlicher Bartheit des Vorgehens, immer jedoch auf ihre eigene, nur bei ihr berechtigte Weise. Aus dem Gestaltungsgang solcher Blätter erklärt sich auch das Zusammenhängende, mit spigenartigen Gebilden sich Berührende ihrer Erscheinung. Durch diese wiederum wird dem Scherenschnitt das Streben nach dekorativer Wirkung nahegelegt.
Das Bapier läßt sich falten, bielfach falten sogar, und so bietet es der Schere die Möglichkeit, streng symmetrische, ja mehrfach sich wiederholende Gebild, in Reihen oder rings um einen gemeinsamen Wittelpunkt angeordnet, mit wenig Arbeitsauf
wand erstehen zu lassen. Diese besondere Eignung zu dekora tivem Schaffen sicherte, im Verein mit der Einfachheit der Herstellungsmittel, dem Pa pierschnitt von altersher die Gunst der bolkstümlichen Kunstübung. Aber gerade auch unsere Zeit weiß fie an ihm zu schäßen, nicht zuletzt des halb, weil sie darin Möglich leiten seiner Anwendung für Tunstgewerbliche Zwede ero fennt. Von einem neuzeit Scherenschnitt von Paul Konewfa. Rus, Ge lichen Scherenschnittfünfiler, jundbrunnenkalender 1918". Berlag Georg D. B. Gallvey, Münden . Heinrich Wolff Königsberg , geht die Anregung aus, die ge fchnittene Umrißdarstellung für einfache Firmenschilder pra! tisch zu berwerten, die quer in die Straße ragen. Von anderer Seite wird dem dekorativen Fries in Scherenschnittechnik das Wort geredet. Der Scherenschnitt ist eine reine Flächenfunst; aber seine Birtung ist eine fast plastische. Sie kommt dadurch zustande, daß das geschnittene Blatt, indem es sich von seiner Unterlage, auf der es nur leicht befestigt ist, etwas ablebt, ein Spiel von aarten Echatten zwischen sich und dem hellen Hintergrunde hervorruft. In dieser Störperhaftigkeit besteht nicht zum gerings ften Teil der eigene Reiz des geichnittenen Schattenrisses.
Die Geschichte des Pavierschnittes umfaßt- soweit sie die euro päischen Erzeugnisse dieser Kunstübung im Auge hat- sowohl die volkstümliche Ausschneidetunst als auch die Schattenrisfunst der gebildeten Städter, die hauptsächlich im Gefolge der Bildnis
verboten
filhouette fich entwidelt hat. Ein Zu ammenhang der abends ländischen Ausschneidefunft mit alten orientalijde Arbeiten dicier Art, die in manchen asiatischen Gebieten in früher Zeit schon heimischworen, ist nicht anzunehmen Das Schneiden in Bapier ist eine so naheliegende bildnerische Betätigung, daß es von jcher uno m den verschiedensten Gegenden selbständig er funden und g übt worden sein dürfte. An dem orientalischen Ursprung der Schattenspiele dagegen ist nicht zu zweif.In. Sie sind z. B. für China , Ceylon und Java schon im 11 Jahre hundert, für Indien fchon gar in borbuddhi ftischer Zeit nachgewiesen. Ihre Figuren waren aber meist nicht in Papier, sondern in Leder geschnitten. Jm 17. Jahrhundert fand das Schattentheater von Tunis aus seinen Eingang in Europa , wo ihm dann namentlich die Zeit der Romantit lebhaft augetan war. Europäische Papierschnitte find uns nur aus verhältnismäßig junger Zeit erhalten. Ein Albumblatt in Bergament geschnitten, datiert von 1631, bürfte aber die ältene bis jetzt belann: e deutsche Arbeit dieser Art sein. Der Name dessen, der es her gestellt, ist nicht überliefert, so wenig als bei den meisten an deren dieser anspruchlosen Bildwerkchen die Verfertiger sich bezeichnet haben. Einen deutschen Ausschneider des 17. Jahr hunderts kennen wir immerhin mit Namen: R. W. Hus, von dem zahlreiche Schnitte erhalten sind, darunter einer, der seine bolle Signatur und. ebenfalls geschnitten, das Datum 1654 aufweist. Seine seltsamen egotischen Gestalten und lebhaft bewegten Darstellungen zeugen von einer erfindungsreichen und temperamentvollen Künstlernatur. Sämtliche Schnitte find in weißem Papier ausgeführt, dem Material, das neben dem Bergament in früherer Zeit und bis zum Aufkommen des Schatten bildnisses das meist verwendete war.
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Das dekorative Gepräge haben die Arbeiten des R. W. Hus mit den meisten Erzeugnissen der volkstümlichen Ausschneide funft gemein. Borzüglich zu ornamentaler Behandlung geeignet waren die Marterwerkzeuge Christi, eine der bei geschnittenen Blättern oft begegneten Darstellungen, wohl zur Einlage in Gebet- und Andachtsbücher bestimmt. Am geläufigsten waren dem Papierschnitt frü herer Zeiten wohl hauptsächlich religiöse Vorwürfe und Borstellungen.
jundbrunnenka.en er 1920".
Aber auch rein ornamentale Gebilde wurden in der Ausschneidetechnik geschaffen. Unter ihnen bilden die sogenann ten Bergament- oder Spizenbilder eine besondere, noch sehr reich vertretene Gruppe. Es sind dies Andachtsbilder, meistens aus Bergament, die eine gemalte 6erentonitt von Kurt Rübner. Nud„ Ge Seiligendarstellung, bon einem Berlag Georg D. W. Cawey, Münden. ausammenhängenden, spißen, ähnlichen Gespinst umrahmt, zeigen. Dieses aus Ranken und Geäst, aus Schnörkeln und geometrischen Figuren gebildete, bis weilen unerhört feine und reiche urchbruchwert wurde freilich nicht mitder Schere, sondern mit dem feinsten Federmesser aus dem Bergamentblatt gewonnen. Früber war überhaupt bei Ausschneidearbeiten das Messer gebräuchlicher als die Schere. Von wem und wo diese Bergamentbilder hergestellt wurden, ist noch nicht einwandsfrei festgestellt. Große Wahrscheinlichkeit hat die Anna me für sich, daß sie Arbeiten aus Nonnenflöftern find. Neben Bayern und Oberösterreich ist auch die Schweiz als Herkunftsland solcher Gedenfblätter zu nennen.
Ein neues Kapitel des Papierschnittes seht ein mit der Er. findung des Schattenbildnisses, von dem wir in der nächsten Nummer noch einiges erzählen werden.
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