Elternhaus und Jugendbewegung
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Schon vor Beginn der Schulzeit dringen von außen mancherlei Einflüsse auf unser Kind ein. Schon wenn es eben laufen gelernt hat, sucht es sich selbst seine fleinen Freunde, sei es auf der Straße oder im Nachbarhaus oder im Kindergarten. In der Schule aber bilden sich mannigfache Zusammenschlüsse: zunächst Freundschaften zu zweien, dann vielleicht kleinere Kreise und endlich Vereinigungen, die durch die verschiedensten Interessen, durch gemeinsames Streben, durch gemeinsame Belehrung zusammengehalten werden. Eifersüchtiges Abschließen der Kinder nach außen hätte keinen Zweck. Das Elternhaus ist keine Insel für sich, sondern durch tausend Fäden ist es mit der Umwelt und lezten Endes mit der ganzen großen Welt verknüpft.
Selbstverständlich gewinnt das Kind im Elternhaus, in dem es wurzelt, zunächst eine bestimmte Lebensrichtung, eine bestimmte Lebens- und Weltanschauung. Wenn das Elternhaus diese verstärken will, etwa durch religiöse oder politische Vereinigungen, so ist das sein gutes Recht. Aber falsch wäre es und gegen sein eigenes Interesse gehandelt, wenn diese Erziehung zu bestimmter Auffassung in engherziger Weise, unter Verurteilung der Meinungen Andersdenkender geschehen würde. Es ist traurig, wenn schon junge Menschenfinder gezwungen werden, Welt und Menschen lediglich durch die Parteibrille zu betrachten, wenn sie frühe schon dünkelhaft und absprechend werden, unfähig zu freier, unbefangener Anschauung aller ihnen neu entgegentretenden Lebens. erscheinungen. Eine solche Erziehung würde oft das Gegenteil von dem erreichen, was sie bezweckt: gerade die selbständigeren Menschenfinder, diejenigen, die das Zeug zur Persönlichkeit" in sich tragen, würden sich bom Elternhaus völlig loslösen in dem Augenblick, wo fie äußerlich von ihm unabhängig werden. In überdruß und Efel an der bisherigen Fesselung würden sie in so manchen Fällen sich gerade entgegengesezten Anschauungen in die Arme werfen.
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Aber nicht allein das Elternhaus hätte den Schaden bei solcher Erziehung. Den Schaden hätte auch die Allgemeinheit. Sie kann heute feine Menschen brauchen, die unfähig sind, den Auffassungen andrer Verständnis entgegen zu bringen. Man schafft feine neue deutsche Kultur" durch Absonderung und Zersplitterung, sondern man schafft sie durch Sammlung der Kräfte. Unser deutsches Volksleben fordert eine allgemeine neue Geistesrichtung: ein Gesamtstreben nach dem Zusammenflang der vielfältigen berechtigten Lebensäußerungen innerhalb unferer Volksgemeinschaft. Und das geschieht durch das Busammenfassen aller positiv schaffenden Kräfte.
Niemand kann sich der Erkenntnis verschließen, daß die Bewegung der Jugend ein Hauptwahrzeichen unserer Beit geworden ist. Die Jugend sucht sich selber, wenn
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sie ihr Leben von Grund aus neu gestalten will. Sie sucht sich auch, wenn sie sich im Wettbewerb der förperlichen Kräfte mißt oder wenn sie die höchsten und legten Dinge im geistigen Kampf auszufechten trachtet. Sie sucht sich auch dann, wenn sie die Autorität des Elternhauses bei Seite wirft und in die Welt hinausschreit, „ von Euch, von meinen Eltern kann ich nichts mehr lernen!" Da ist es wohl begreiflich, wenn so manches Elternpaar sich empört und meint, daß die Welt aus den Fugen gegangen fei. So gut aber eine allgemeine Umwälzung im Volfsleben nicht denkbar ist, wenn nicht Bindungen, Fesselungen vorhergegangen, die zur Entladung führen mußten, so konnte auch die Jugendbewegung nicht entstehen, wenn das Elternhaus im allgemeinen seine Aufgabe erfüllt und seinen Kindern genug von dem wahren Reichtum des Lebens mitgegeben hätte. Ist es denn nicht gegen die Natur, wenn ein Kind sich so frühe gegen das Elternhaus auflehnt? Das Kind fühlt sich glücklich, wo es seiner selbst sicher und geborgen ist und wo es Teilnahme, ja Miterleben findet an allem, was sein junges Gemüt tiefer bewegt.
Wer aber hat den größeren Nußen, die größere Freude, wenn Eltern und Kinder sich nicht entfremden? Wenn die einen am frischen Vorwärtsstürmen der Jugend, die andern an der Erfahrung des Alters teil haben fönnen? So mögen denn die Eltern nicht grollend bei Seite stehen, wenn ihr Kind in Gemeinschaft mit andern Bielen nachgeht, die nicht sie selbst gesteckt haben. Sie mögen sich freuen an dem Willen zur Lebensumgestaltung; sich freuen am frischen sportlichen Treiben, das der Lust am eignen Körper, am eignen Dasein entspringt. Sie mögen Achtung mitbringen da, wo der junge Geist sich abmüht um die tiefen Fragen der Menschheit. Und Geduld mögen sie üben bei den mancherlei Auswüchsen und bei dem überschwang der Jugend, die im Gefühl ihrer Kräfte glaubt, die Welt aus den Angeln heben zu können.
Durch ihre weibliche Einfühlung ist es der Mutter gegeben, auch bei ganz verschieden gearteten Kindern den Weg zu verfolgen, den sie sich selber suchen. Und nichts von dem, was aus gutem Willen und Geist geboren wurde, darf die Mutter gering achten. Engherzigfeit und Kleinlichkeit streife sie ab, um eine Mütterlichfeit zu erringen, welche erst die Krönung förperlicher Mutterschaft ist. Dann wird sie unserm Volfe eine Jugend schenken, welche die wahre Volksgemeinschaft schaffen wird.
In dem kleinen Werk von Normann Körber„ Die deutsche Jugendbewegung" heißt es, daß diese Bewegung„ für Deutschlands Zufunft schlechthin entscheidende Bedeutung" habe. Ebenso sicher aber ist es, daß der Aufschwung der deutschen Jugend, welcher die Volfserneuerung anbahnt, nicht zur Vollendung ausreifen fann, wenn ihre Träger entwurzelt, zusammenhanglos sind mit dem Boden der sie erzeugte.
Scherenschnitte
Nachdruck
Das Schattenbild ist zunächst tein von freier Hand gezeich netes, sondern eine getuschte Umrißzeichnung. Aber es hat doch als der Begründer der Echwarzkunst zu gelten. Und diejer gehörte die Folgezeit des Scherenschnittes. In Paris um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufgekommen, eroberte sich die Silhouette bald ganz Europa Ihren Namen führt sie, wie be kannt, nach dem Finanzminister Ludwigs XV., Etienne de Silhouette , in dessen Zeit sie Verbreitung gewann und dessem sparfamem Finanzmejen sie mit ihren geringen Anforderungen an den Geldbeutel so recht zu entsprechen schien. Man kennt das Herstellungsverfahren: der bei künstlichem Licht auf hellem Hintergrund sich zeichnende Schatten des Kopfes oder der ganzen Gestalt wurde mit dem Stift festgehalten und
aus Nr. 17
JA
verboten
hernach mit dem Storchschnabel, einem Übertragungszirkel, auf eine künstlerisch wirksame Verfleinerung gebracht.
Besonders in deutschen Landen fand die Kunst des Sil houettierens begeisterte Aufnahme und regjte Pflege. Im Schattenbildnis haben Goethe und feine Zeitgenossen sich der Nachwelt überliefert. In jedes Haus, in jedes Gedenkbuch fand die Silhouette Eingang. Mit ihrer Herstellung be= faßten sich um die Wette Berufskünstler und Dilettanten Die 80er Jahre des 18. Jahrhun derts waren ihre klassische Zeit. Als sie sich später durch Jnnenzeichnung, durch farbige Bu taten und dergleichen mehr zu bereichern trachtete, da verfiel sie in Spielerei. Die Daguerreotypie und die darauffolgende Photographie haben sie bollends en behrlich gemacht.